Wer zu lange wartet, verschenkt Geld

Für alle, die sich immer noch nicht gekümmert haben: In diesem Jahr sollte man die private Rentenvorsorge angehen, so man es sich leisten kann. Finanzberater Arno Gottschalk von der Verbraucherzentrale gibt eine Einschätzung der Situation

Seit einem Jahr gilt: Die staatliche Rente wird gekürzt, Eigenvorsorge ist angesagt: die Riester-Rente. Vor einem Jahr hat Arno Gottschalk, Finanzexperte der Bremer Verbraucherzentrale, zum Abwarten und Informieren geraten – jetzt rät er vor allem, sich vor Faustformeln zu hüten und nicht nur einem einzigen Berater zu vertrauen.

taz: Wie hat sich das erste Jahr der Riester-Rente für Sie dargestellt?Arno Gottschalk: Viele waren sich noch unsicher, für welches Angebot sie sich entscheiden sollten. Wir haben oft dazu geraten, sich erstmal einen ganz einfachen Banksparplan zu nehmen und darauf zu achten, dass es sich um ein Produkt handelt, bei dem man wechseln kann, ohne dass es Austrittskosten gibt. Das galt für die, die die Riester-Förderung des vergangenen Jahres auf jeden Fall mitnehmen wollten.

Wie stellt es sich jetzt dar?Es sieht wohl so aus, dass das Riester-Konzept nochmal geändert werden soll, es soll weniger bürokratisch gestaltet werden. Das ist allerdings kein Grund, jetzt nochmal zum Abwarten zu raten. Die Förderung dieses Jahres sollte man auf jeden Fall mitnehmen. Ich glaube aber, viele Menschen unterschätzen die Riester-Rente noch in ihren Förder-Möglichkeiten. Die meisten haben ja besonders die Zulagen im Kopf und denken, Riester-Rente sei vor allem geeignet für Kinderreiche und Wenigverdiener. Aber das stimmt einfach nicht. Es geht zum einen um die Zulagen, völlig richtig. Zum anderen geht es aber darum, dass die Beiträge für Riester plus die Zulagen im Lohnsteuerjahresausgleich geltend gemacht werden können – und das kann dann gerade für die Gutverdienenden besonders lukrativ sein. Aber das ist den wenigsten klar.

Aber Gutverdienenden wird doch jetzt immer die betriebliche Altersvorsorge, sprich Eichel-Vorsorge, angeraten.Stimmt. Man muss das nochmal differenzieren. Für diejenigen, die in einem Betrieb sind, der nicht nur das Minimalangebot, nämlich eine Direktversicherung, in petto hat, sondern tatsächlich ein Angebot im Rahmen der Gehaltsumwandlung – für solche Menschen ist das dann die Offerte Nummer Eins, die sie prüfen sollten. Denn das hat zwei Vorteile: Wer es sich leisten kann, kann viel höher umwandeln, bekommt also ein höheres Maß an Förderung. Zweitens ist in diesem Bereich die staatliche Förderung für viele Leute lukrativer, sowohl steuerlich als auch was die Ersparnis der Sozialabgaben angeht. Trotzdem lässt sich das nicht verallgemeinern.

Wenn es die betriebliche Altersvorsorge nicht ist, sondern die Riester-Rente – dann hat der Rentner in spe über 3.500 Möglichkeiten zur Auswahl. Verwirrend bis lähmend, oder?Naja – verwirrender, komplizierter als eine Lebensversicherung ist die Riester-Rente auch nicht. Aber es ist eben auch nicht so einfach, dass es eine Faustformel gibt, an die man sich halten könnte. Um mal auf die tausende Angebote zu kommen: Viele einzelne Institute wie Sparkassen oder Volksbanken haben sich ihre Banksparpläne zertifizieren lassen – daher die Masse.

Klingt dennoch nicht nach weniger Verwirrung.Das Klagen über die Komplexität ist manchmal interessenorientiert. Man muss sehen, dass viele Verkäufer an den Riester-Produkten kein Interesse haben. Denn das Verhältnis zwischen Aufwand und Provision ist für die Berater nicht besonders attraktiv: Man muss viel erklären, und kommt es dann zu einem Abschluss, streckt sich die Auszahlung der Provision auf zehn Jahre. Nach unserer Beobachtung wird da auch oft versucht abzuwiegeln und lieber was anderes zu verkaufen.

Das ist doch fatal, gerade für die, die sich auf so einen Berater verlassen.So sieht es aber teilweise aus.

Es gab vor einem halben Jahr den großen Test der Stiftung Warentest – ist der heute noch empfehlenswert?Das Heft der Stiftung Warentest ist nach wie vor in seiner Einführung, seiner Darlegung der Begrifflichkeiten und des neuen Systems empfehlenswert. An den Testergebnissen kann man sich aber nicht mehr ohne weiteres orientieren. Denn es hat sich einiges geändert. Die Zinsangebote für die Banksparpläne sind inzwischen überholt. Dann wurde bei der Auswertung der Versicherungsprodukte sehr stark darauf gesetzt, was die Anbieter selber prognostizieren. Nach dem Desaster, das sich im Versicherungsbereich abzeichnet, denke ich, dass diese Ergebnisse heute anders ausfallen würden. Lediglich im Bereich der Investmentfonds haben sich die Einschätzungen wenig geändert.

Stichwort Desaster: Die Entwicklung im Versicherungsbereich schreckt eher ab. Soll man die Branche meiden? Oder ist das hier angelegte Geld sicher?Die Absicherung im Riester-Bereich besteht darin, dass alle Anbieter den Erhalt des Kapitals garantieren müssen. Man muss sich aber klarmachen, dass von allen Riester-Angeboten die Gruppe der Versicherungsangebote diejenige ist, bei der eine Insolvenz und ein möglicher Verlust des Kapitals nicht hundertprozentig ausgeschlossen ist. Bei den Banksparplänen ist über die Einlagensicherung Kapitalerhalt garantiert. Investmentfonds sind in der Regel Sondervermögen, das heißt, sie gehören nicht der verwaltenden Gesellschaft – wenn die pleite geht, bestehen die Fonds weiter. Bei den Versicherungen gibt es ein solches Sicherungssystem bislang nicht. Im Moment würde ich da eher zum Abwarten raten, weniger weil ich ein großes Insolvenzrisiko sähe – das tue ich nicht. Sondern, weil die genaue wirtschaftliche Lage der Versicherer im Moment recht undurchsichtig ist.

Auch wenn Sie sagen, so kompliziert sei es nicht – sind es dennoch vor allem Menschen von höherem Bildungsstand, die sich von Ihnen beraten lassen?Es sind vor allem Leute ab 40, die kommen. Es sind verhältnismäßig viele Frauen, aber das gilt für unseren gesamten Geldanlagebereich. Und sonst stammen die Leute, die wir beraten, aus allen Bildungsschichten.

Beobachten Sie, dass einige Menschen mit der nun geforderten Eigenverantwortung überfordert sind?Möglicherweise glauben manche Leute, die 50 Euro Beratungsgebühr bei der Verbraucherzentrale können sie sich sparen, denn woanders kriegen sie’s umsonst, bei den Anbietern nämlich. Es gibt aber nichts umsonst. Aber gerade viele Leute im unteren Einkommensbereich – das ist das viel größere Problem – können sich die Riester-Rente oft gar nicht leisten. Nicht jeder hat den Spielraum, vom Gehalt die notwendigen Beiträge abzuzwacken – und das sind oft gerade die, die von der Kürzung der gesetzlichen Rente am härtesten betroffen sind.

Wie lautet Ihr Rat für all die, die sich jetzt erstmals Gedanken machen?Im Laufe dieses Jahres sollte man sich dann doch zu einem wie immer gearteten Abschluss entscheiden – denn wer das nicht tut, verschenkt Geld. Je länger er wartet, desto mehr. Im übrigen sollte man sich mal von der BfA oder der Landesversicherungsanstalt die eigene Rente errechnen lassen. Das ist meist ein Schock mit weitreichender Wirkung.

Interview: Susanne Gieffers