Helden des Small-Talks

In Katrin Bretschneiders „Heldenstück“ treffen sich vier von nebenan – und packen ein bisschen aus

Helden sind vor allem ... durchtrainiert. Finden jedenfalls die vier Anti-Helden, die gerne Helden wären. Im roten Trainingsanzug stehen sie da, trippeln zu lustiger Musik über die Bühne wie Hamster im Laufrad und machen sich Gedanken über den „Waschbrettbauchfaktor“, über Kampfgeist, Bizeps und „Unsichtbarkeitsfaktor“. Warum sie Helden werden wollen? „Weil ich von Gott dazu berufen bin.“ „Weil ich es einfach bringe.“ „Weil ich es meiner Mutter schuldig bin.“

Viel Gerät brauchen sie jedenfalls nicht zum Helden-Training in der Bremer Shakespeare Company: Eine einsame Umkleidekabine und vier Sitzkissen reichen. Denn eigentlich wollen die Helden im „Heldenstück“ nicht über sich hinauswachsen, viel lieber horchen sie in sich hinein. Und erzählen ihre Geschichten den Zuschauern, in direkter Ansprache, gerne auch durchs Mikrofon: Wie sie als Kind beim Klauen erwischt wurden. Oder ihren Hund vor dem Ertrinken retteten.

Helden mit Hang zum Infantilen: Sie heißen Petra-Janina Schultz, Sebastian Kautz, Tina Eberhardt und Thomas C. Zinke, auf der Bühne wie im Personalausweis. Sie sind alle um die 30 und bringen ihre Vergangenheit und ihr Privatleben mit ins Theater – um in aneinandergereihten Einzelszene auszupacken. Aber nur ein bisschen. Abgesichert sind die vier durch die Ironie der Heldenidee. Abgesichert sind sie auch, weil sie als klassisch gebildete Popkultur-Kinder überall Zitate finden, hinter denen es sich gut verstecken lässt.

James Bond zum Beispiel: Im „Heldenstück“ eine Tanz- und Prügelchoreografie in Zeitlupe; der Mythos vom Entdecker im Eismeer: ein überzeichneter Logbuch-Eintrag via Cassettenrekorder; und immer wieder: Die Talkshow. Moderne Helden, ganz klar, moderne Helden werden interviewt. Also interviewen sich Petra-Janina, Sebastian, Tina und Thomas gegenseitig. Helden des Small-Talks.

An den Helden des Small-Talks hat Regisseurin und Konzepterin Katrin Bretschneider besonderen Gefallen gefunden: „Glaubst du an Gott?“ „Glaubst du, das Ergebnis von ‚Deutschland sucht den Superstar‘ stand schon von vorneherein fest?“ „Was empfindest du, wenn zwei Männer sich küssen?“ Was PetraSebastianTina dazu sagen – ist anderntags mit Sicherheit wieder vergessen.

„Das Heldenstück“ hat seine Stärke im reich variierten ironischen Versteckspiel, seine Schwäche hat es darin, dass sich nichts rechtes mehr auffinden lässt. So persönlich es zugeht, so wenig sind noch Persönlichkeiten erkennbar. Dafür findet sich hier und da ein guter Gag, dort eine gelungene Choreographie oder ein schön intoniertes Lied. Und zwischen den Zitaten mal eine kleine Wahrheit. Und sei’s die, dass Helden vor allem eines sind: durchtrainiert. Klaus Irler

nächste Aufführungen: 28. und 29. März um 19.30 Uhr, 6. April um 20 Uhr in der Bremer Shakespeare Company am Leibnizplatz