Lernen von den Alten

Reif für den Widerstand: Der dänische Künstler Frans Jacobi stellte in der Z-Bar sein Politmusical „Betonherz“ vor

Dänemark in den Siebzigerjahren: Die ultrarechte Dansk Folkeparti holt bald 15 Prozent der Wählerstimmen. Das Ergebnis zeigt, wie sehr das Land zwischen den Generationen gespalten ist, denn die Jugend definiert sich durchweg links, ob in der Provinz oder in Kopenhagen. Für die Gruppe Roede Mor (rote Mutter), die sich Ende der Sechzigerjahre aus frustrierten Kunststudenten formiert hat, um mit Agitprop die Revolution in die Fabriken zu tragen, bringt der Unmut vor allem Erfolg. Ihre Songs über Arbeitslosigkeit und über die Weigerung, das Leben der angepassten Mehrheitsgesellschaft zu leben, finden sich plötzlich in den Charts wieder. Von so einem Einverständnis mit dem Nicht-Einverstanden-Sein können René Pollesch und sein Neustadt-Happenings-Theater nur träumen.

Folgt man dem dänischen Künstler Frans Jacobi, sind die Zeiten wieder reif für den Widerstand von vor 30 Jahren. Mittlerweile ist die Volkspartei mit ausländerfeindlicher Politik kein Extrem mehr, sondern Teil der Mitte; und das Studium der Kunst ist eine weit bessere Option als Klassenkampf. Deshalb hat Jacobi eine Spur zurückgelegt und mit Kunststudenten ein Remake des Politmusicals „Concrete Heart“ gedreht, das Roede Mor auf dem Höhepunkt ihrer Karriere 1975 herausbrachten. Viel Happening, Drop-outs in der Klapse und ein Chor der Unzufriedenen, der in Pappattrappenhäusern über die Befreiung vom Kapitalismus singt – kann das noch gut gehen 2003?

Jacobi weiß, dass ein Revival – zumal politischer Haltungen – nicht ohne Ironie funktioniert. Sein Musicalfilm, der am Donnerstag in der Z-Bar in der Bergstraße lief, ist eher ein Schnelldurchlauf durch die komplexen Seventies-Begehrlichkeiten, gerade mal elf Songs aus dem Original haben für die Neuverfilmung noch Bestand gehabt. Statt heißblütigem Rock gibt es elektronisches Knistern und minimalistische Balladen, die nur mit einer Gitarre begleitet werden. Das schafft atmosphärische Leerstellen, in die der Betrachter sich gut hineinversetzen kann, selbst wenn er die dänischen Texte für eine seltsam fremde Sprachwelt hält. Allein das Finale schlägt eine Brücke in die Vergangenheit: Als Gast tritt Troels Trier auf, der ehemalige Sänger von Roede Mor. Der „Pölser“-Imbiss, von dem Trier melancholisch singt, wird von Jacobi allerdings als „Kebabbude“ übersetzt. Denn die Zeiten ändern sich, auch in Dänemark.

HARALD FRICKE