Bauern machen schlechte Geschäfte

Agrarbericht 2004: Dramatische Einkommenseinbußen für die Landwirte. Schuld waren Wetter und Preiskampf

BERLIN taz ■ In Deutschland Bauer zu sein ist derzeit kein Spaß: Im letzten Wirtschaftsjahr, von Sommer 2002 bis Sommer 2003, sind die Gewinne um 19,8 Prozent eingebrochen. Das verkündete Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne), als sie gestern den Agrarbericht 2004 präsentierte. Aussicht auf Besserung gibt es keine: Die Einkommen sinken im laufenden Jahr noch einmal um bis zu 8 Prozent, prognostizierte Künast.

„Die wirtschaftliche Lage war witterungs- und marktbedingt sehr schwierig“, so die Ministerin. Das heißt so viel wie: Schuld waren Wetter und der vor allem von Discountern wie Aldi oder Lidl ausgelöste Preiskampf. Tatsächlich konnten die Bauern in den von der großen Flut 2002 betroffenen Regionen besonders wenig Geld einstreichen. In Sachsen-Anhalt gingen die Einkommen gleich um 40 Prozent zurück, in Niedersachen um knapp 35 Prozent. Der deutsche Bauernverband schalt gestern dennoch die Bundesregierung.

Die stellt mit der Agrarreform nun aber die richtigen Weichen, betonte dagegen Künast. Geht es nach der Ministerin, sollen die jährlich rund 5,5 Milliarden Euro Fördergelder umverteilt werden: Bisher erhält ein Bauer umso mehr Geld vom Staat, je mehr Mais, Fleisch oder Milch er produziert. Künftig sollen Beihilfen auch an Umwelt- und Tierschutzstandards gekoppelt werden. Dann seien die Landwirte gefragt, findet Künast. Und passend zur Innovationsdebatte von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) fügt sie hinzu: „Keiner soll glauben, dass es Innovationen nicht auch auf dem Lande gibt!“ Bauern sollten etwa zu Energiewirten werden, aus Raps Biodiesel machen. Zudem sollten sie, bitte schön, nach Osten gucken, auf die 75 Millionen neuen Verbraucher. Die wollten nach dem Beitritt von zehn neuen Staaten in die Europäische Union am 1. Mai dieses Jahres Milch, Butter und Fleisch kaufen. Die deutschen Landwirte bräuchten die Konkurrenz der polnischen, estnischen oder lettischen Produzenten gar nicht zu fürchten – vorausgesetzt, sie setzten auf Qualität.

Künast bleibt damit ihrem Motto „Klasse statt Masse“ treu, mit dem sie vor drei Jahren die Agrarwende eingeläutet hatte. Die hält so mancher allerdings für gescheitert. Schließlich bleiben Biobauern schon mal öfters auf ihrer Milch sitzen. Das liege vor allem am Verbraucher, meint Künast. Außerdem gäben die Molkereien den Druck der Discounter, möglichst billig und damit unrentabel zu produzieren, an die Bauern weiter. Ulrich Jasper von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft hält dagegen: „Künast kann selbst eingreifen.“ Sie müsse nur die sehr komplizierten Instrumente der europäischen Marktpolitik nutzen.

In einem hat Künast dann aber doch Recht: Der Ökolandbau ist grundsätzlich offenbar nicht schlechter gestellt als der herkömmliche: Im Schnitt sind die Einkommen der Ökobauern letztes Jahr nämlich nur um 0,6 Prozent gesunken. Als krisensicher hat sich übrigens ein ganz anderer Zweig bewährt: Die deutschen Weinbauern steigerten ihren Gewinn im letzten Jahr um gut neun Prozent.

HANNA GERSMANN