Wann wird die Marktreife erreicht?

Einige Firmen forschen an der alten Technik Holzvergasung. Das Landesgewerbeamt Baden-Württemberg will sie zum Erfolg führen. Einer der Auslöser für das wachsende Interesse an der Holzenergie ist auch das steigende Holzangebot

Für Siegfried Rapp ist das Holzgas so etwas wie eine Jugendliebe: Damals, auf dem elterlichen Hof, sei der Traktor noch mit Holzvergaser betrieben worden. Doch mit dem billigen Öl verschwand die Technik aus dem Alltag.

Heute ist Siegfried Rapp am baden-württembergischen Landesgewerbeamt als Referent für biogene Energiesysteme tätig. Die Holzenergie von damals lässt ihn noch immer nicht los – und so kämpft er wie kaum ein anderer in Deutschland für die Renaissance der dezentralen Holzvergasung. Nicht so sehr um die großen Industrieanlagen geht es ihm dabei, sondern um die kleinen Holzvergaser mit Blockheizkraftwerk (BHKW) für den örtlichen Nahwärmeverbund.

Rapp ist Optimist: „Die Marktreife der Holzvergasung ist am Horizont erkennbar“, sagt er, „jungen Ingenieuren steht hier ein wunderbares Entwicklungsfeld bevor.“ Zwar sei die einschlägige Technik seit dem Zweiten Weltkrieg kaum vorangekommen, doch mit der Lethargie sei es nun vorbei: „Ende 2003 werden wir in Baden-Württemberg die erste Pilotanlage zum Laufen bringen.“

Das Problem liegt darin, dass Holzgas gänzlich verschieden ist vom klassischen Biogas. Methan kommt im Holzgas fast gar nicht vor; als brennbare Substanzen sind lediglich Kohlenmonoxid und Wasserstoff relevant. Holzgas ist ferner recht klopffreudig, und auch die Verunreinigungen unter anderem durch Teer und Staub erschweren die Nutzung.

Wessen Aufgabe es nun ist, tragfähige technische Lösungen zu entwickeln, ist umstritten. Sind hier primär die Entwickler der Holzvergaser gefordert oder aber die Erbauer der BHKW? Siegfried Rapp hat bereits entschieden: „Statt den letzten Teer herauszuholen, sollten wir lieber Motoren bauen, die mit dem Stoff umgehen können.“

Doch die meisten BHKW-Hersteller sehen das Holzgas derzeit noch als Nischenmarkt, für den sich die Entwicklung neuer Motorkonzepte nicht lohnt. „Die BHKW-Hersteller hatten lange Zeit überhaupt kein Interesse am Holzgas“, hat auch Ludger Dinkelbach von der G.A.S. Energietechnologie in Krefeld erfahren müssen. Dennoch geht es voran: „Wir planen eine Demoanlage mit 1,5 Megawatt elektrischer Leistung mit Holzvergasung in zirkulierender Wirbelschicht“, sagt Dinkelbach.

Unterdessen hat auch die Menag-Group aus dem schweizerischen Niederdorf – nach eigenem Bekunden der größte BHKW-Hersteller in der Schweiz – den Prototyp eines kleinen Gleichstromvergasers entwickelt. 1.800 Betriebsstunden habe man bereits erzielt, sagt Ingenieur Karsten Lorenz. Man erzeuge ein „nahezu teerfreies Holzgas“, das anschließend in einem Opel-Kfz-Motor verbrannt und verstromt werde. 16 Kilowatt elektrisch erziele die Anlage. Marktreif freilich sei auch sie noch nicht.

Eine Demoanlage mit 60 Kilowatt elektrisch hat außerdem seit gut einem Jahr die inzwischen von der Menag-Group übernommene Xylowatt im schweizerischen Bulle in Betrieb. So weiß Ingenieur Lorenz aus eigener Erfahrung, dass die Holzvergasung noch nicht die Zuverlässigkeit erreicht hat, die für den Markt notwendig ist: „Wir brauchen noch mutige Kunden“, gesteht er ein. Dafür aber lockt die Effizienz: 85 Prozent der Energie des Holzes habe man am Ende im Holzgas verfügbar, heißt es in der Branche.

Auslöser für das wachsende Interesse an der Holzenergie ist neben der Brisanz des Klimaschutzes das steigende Holzangebot. In Baden-Württemberg zum Beispiel wuchs der nachhaltig erzielbare Holzeinschlag von 1960 bis heute von 6,9 Millionen auf 10 Millionen Festmeter jährlich. Ursachen sind die zunehmenden Waldflächen infolge zurückgehender Grünlandwirtschaft sowie zugleich ein zunehmender Hektarertrag, dessen Ursachen vermutlich in der Überdüngung durch atmosphärische Stickoxide liegt. Da zudem die Qualitätsanforderungen an stofflich genutztes Holz immer größer werden, bleibt schließlich auch noch überproportional viel als Energieholz übrig.

Zunehmend wird in der Branche offen darüber gesprochen, dass die in Sachen Holzgas stark verbreitete Eigenbrötlerei der Firmen nicht mehr weiterführt. „Wir brauchen mehr Zusammenarbeit“, sagt etwa Herbert Gemperle von der Pyroforce Energietechnologie AG im schweizerischen Emmenbrücke, „unsere Firma sucht daher aktiv Kooperationen.“

Damit ist er ganz auf Linie von Siegfried Rapp, der sich zur Aufgabe gemacht hat, die betreffenden Firmen zu stärkerem Austausch zu bewegen. Denn manche Detailprobleme sind hartnäckiger, als die Ingenieure in der Vergangenheit vermuten konnten – das gestehen einige Firmen der Branche inzwischen auch selbstkritisch ein. „Auch wir hatten schon Hochglanzprospekte gedruckt, in denen stand, wie toll die Anlagen funktionieren“, berichtet Techniker Gemperle. Heute sei man mit der Entwicklung deutlich weiter, zugleich mit der Herausgabe von vollmundigen Prospekten aber erheblich vorsichtiger. Die euphorischen Broschüren von damals konnten immerhin noch sinnvoll genutzt werden: „Wir haben sie in unserer Anlage erfolgreich verarbeitet.“ BERNWARD JANZING