Das verlorene Lachen

Birgit Prinz macht nicht viel Aufhebens, auch nicht nach dem 5:0 in der EM-Qualifikation gegen Schottland

POTSDAM taz ■ Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt: Es gibt früh Elfmeter für die DFB-Elf, dann Gelb-Rot für die schottische Nummer neun, die Kräfte der Highlanderinnen schwinden, die Tore purzeln: 5:0 – ein gewöhnlicher Favoritensieg. Nach der Partie aber sollte etwas Außergewöhnliches passieren: Birgit Prinz lächelte. Das ist so selten wie Regen in der Sahel-Zone und Schnee am Toten Meer. Zweifellos, wenn man ganz genau hinsah, bogen sich ihre Mundwinkel leicht nach oben, verformte sich der Mund zur Sichel. Eine kleine Sensation. Prinz sagt man nämlich nach, sie verfüge über das mimische Potenzial eines Quastenflossers, sie habe ein Gemüt so staubtrocken wie Sandkuchen von Oma. Ein echter Gefühlsausbruch, der da im Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion vor 4.000 Zuschauern zu beobachten war.

Birgit Prinz, das große, ernste Mädchen, ist 25 Jahre alt und Stürmerin. Sie hat am Donnerstag ihr 100. Länderspiel gemacht und zwei Tore gegen Schottland geschossen. Jetzt kommt sie auf 47 Treffer im DFB-Trikot. 47 Tore, das heißt: 47 Mal kein wildes Herumrutschen auf dem Rasen, kein exaltierter Tanz mit der Eckfahne, kein entfesselter Sprint über den Platz oder gar Salto-Überschläge. Vielmehr pflegt Frau Prinz ihre Tore mit lähmendem Gleichmut zur Kenntnis zu nehmen. Stempel drauf und ab damit ins Fußballarchiv. Wenn sie mit sich zufrieden ist, weil ein spektakuläres Ding reinging, hebt sie schon mal die Hand und lässt sich von ihren vierschrötigen Kolleginnen auf die Schulter klopfen. Aber normalerweise dreht sie sich, nachdem das Netz zappelt, einfach um, macht kehrt, als wäre das Toreschießen irgendwie okay, aber der Jubel, herrje, eine furchtbar lästige Sache.

Warum Frau Prinz lächelte, verriet Bundestrainerin Tina Theune-Meyer, die vom Stadionsprecher, der Frauensoccerei offenbar unkundig und zudem ein verhinderter Schüttelreimer, als „Tina Meue-Theyner“ begrüßt wurde. Meyer sagte, Prinz habe in der letzten Zeit an einer Patellasehnenverletzung laboriert, jetzt sei sie wieder topfit und könne zu gewohnter Form auflaufen. Außerdem: „So einen schönen Flugkopfball habe ich von ihr noch nie gesehen“, sagte Meyer. Die Birgit sei halt immer sehr kritisch, nie zufrieden. Aber das müsse nichts Schlechtes sein. Denn auf der anderen Seite entspringe ihrem spröden Wesen großer Ehrgeiz sowie eine Geradlinigkeit, die ihresgleichen suche, so die Bundestrainerin in einer stillen Lobeshymne auf ihre Angreiferin.

Prinz hat viel Gelegenheit zum verhaltenen Torjubel, denn sie kickt das ganze Jahr hindurch. In der regulären Saison spielt sie für den 1. FFC Frankfurt, der besten Mannschaft hierzulande. Im Frühjahr geht sie in die USA und stürmt für Caroline Courage in der Profiliga Wusa. Neben ihr sind auch Steffi Jones (Washington Freedom), Doris Fitschen (Philadelphia Charge) oder Bettina Wiegmann (Boston Breakers) in die anspruchvollste Liga der Welt gegangen, doch Meyer will sich mit dem Weggang der Besten nicht anfreunden. Einen Wechsel in die Wusa empfiehlt sie nur den älteren Spielern, „die noch einmal eine Herausforderung suchen“. Der talentierte Rest möge im Land bleiben: „Die deutsche Liga braucht die guten Fußballerinnen.“ Die Wusa ist weltweit aktiv, um an gute Spieler zu kommen. In der Vorbereitung zur WM (im September in China) stößt das allerdings bei den Verbänden auf Unmut. Die Landestrainer möchten sich intensiv und mit dem ganzen Kader langfristig auf das Turnier vorbereiten, „nicht nur vier Wochen vor der Weltmeisterschaft“, wie Meyer betont. Zudem ist ihr der Kräfteverschleiß der in Übersee Aktiven ein Dorn im Auge.

In einer Woche steht Prinzens erstes Wusa-Saisonspiel gegen Washington an. „Nichts Besonderes“, sagte die Europa- und Vizeweltmeisterin. Da war ihr Gesicht schon wieder eingefroren. Wie bei Timm Thalers Schwester.

MARKUS VÖLKER