tonspur
: Plappern gehört zum Handwerk

Liebe ZuhörerInnen,

auch bei mir herrscht Krieg. Was bedeutet, dass das Programm sich mit jedem Bombentreffer ändert, dass ich vieles gar nicht sagen darf und vieles sagen muss.

Oft erinnere ich mich an die Zeit nach dem elften September, in der ich keine Stücke, in denen Flugzeuge vorkommen, dudeln durfte – ob man mir demnächst vielleicht Cat Stevens verbietet? Wo der doch vor einigen Jahren zum Islam konvertiert ist … na ja, so schlimm wäre das auch nicht. Aber nun zu den übrig gebliebenen Hörjuwelen.

Till Müller-Klug hat einmal ein recht übergehenswertes Buch als Koautor mitgeschrieben, „Mai 3D“ hieß es, und es handelte ganz modern vom Leben einiger Rumhänger und Rumhängerinnen in Berlin, die sich ihre Caffè Lattes als Trash-Models verdienten. Im letzten Jahr hat er ein Hörspiel fabriziert, in dem die Freundin eines Elektronikfricklers ihre Gedanken durch poetisch-telepathische Beschwörung in merkwürdige Traum- und Traumatawelten sendet. Hört sich, nun ja, interessant an, und das soll es ja auch, oder nicht? Vielleicht müsste man dazu wissen, dass der Autor Müller-Klug auch als Slam-Poet unterwegs ist, dabei gibt er sich den bezeichnenden Namen „Die sprechende Droge“ („Die Gedankensenderin“, WDR 3, 31. 3., 23.05 Uhr). Noch etwas mediokre Jugendlichkeit gefällig, in unserer überalterten Welt: „Täglich Brot“ heißt ein Hörspiel von Gesine Danckwart (die, so wurde mir zugetragen, übrigens aus dem schönen kleinen Städtchen Elmshorn stammt), und darin erzählen fünf Männer und Frauen um die dreißig aus ihrem Alltag, manchmal lustig, manchmal nervig, manchmal bekloppt, aber im Großen und Ganzen doch recht bezeichnend. Groß- und KleinstadtneurotikerInnen eben. (NDR Info, 30. 3., 21.05 Uhr)

Eine wahre bzw. echte Geschichte oder eine vom Dichter nur minimal verschnörkelte Historie, erzählt der gebürtige Albaner Ismael Kadaré am Mittwoch über die Vergangenheit des Kosovo: Es geht um 1389, die Schlacht auf dem Amselfeld, die Schwierigkeiten zwischen Albanern, Serben und Bosniern, die bis heute in veränderter Form zu spüren sind. Also eine Kriegsgeschichte – und wer nun im Brustton der Überzeugung behauptet, er habe momentan genug vom Krieg, der sollte sich mal überlegen, woran das liegt, dass über manche Kriege ununterbrochen, über andere wiederum so gut wie gar nicht berichtet wird. Genau. Und im Übrigen ist außer Otto Sander und Gerd Wameling auch noch Christian Brückner, der bestbeschäftigte Synchronplapperer Deutschlands dabei. („Drei Totengesänge für das Kosovo“, WDR 3, 2. 4., 22.15 Uhr).

Habe ich gerade „bestbeschäftigter Synchronplapperer“ gesagt? Da taucht der Brückner doch glatt schon wieder auf, diesmal in einem Krimi von Ross McDonald, in dem es um Verrat, Erbschaften, Liebhabereien und natürlich – Mord geht. So ein richtiger, handfester „Whodunnit“ zum dabei Abspülen und dann das Silber putzen. Danach kann man ja wieder auf Aktuelles umschalten („Mörder ohne Waffe“, Deutschlandradio Berlin, 31. 3., 19.05 Uhr).

Und jetzt, am Ende, möchte ich noch etwas zum Thema „Ästhetischer Äther“ loswerden. Wir waren ja vorhin schon mal kurz bei der Zensur … Früher, während eines anderen Krieges, des Ersten Weltkriegs nämlich, waren die Stücke eines gewissen Carl Sternheim verboten. Jetzt nicht mehr: Im Bayerischen Rundfunk läuft am Sonntag der letzte Teil der fantastischen „Maske“-Trilogie über den Freiherrn Christian Maske von Buchow und den Aufstieg und Untergang einer bürgerlichen Dynastie.

Das waren noch Hörspiele nach meinem Geschmack! Die Bearbeitung ist von 1964, mit all den schönen Stimmen und Geräuschen von dunnemals. Und ich sage jetzt schon mal, obwohl das nicht nett ist, wie es ausgeht: Jemanden trifft der Schlag. O weh. („1913“, Bayern2Radio. 30. 3., 15.15 Uhr)VERONA VON BLAUPUNKT