Hessen-SPD mit neuer Spitzenfrau

Designierte Landeschefin Ypsilanti kritisiert Reformkurs von Schröder und Clement

WIESBADEN taz ■ Die 45 Jahre alte Andrea Ypsilanti soll heute auf einem Sonderparteitag der hessischen SPD zur neuen Landesvorsitzenden gewählt werden. Weil es keinen Gegenkandidaten gibt, gilt ihre Wahl als gesichert. Dennoch bangt die ehemalige Vorsitzende der hessischen Jungsozialisten: Wie viele Stimmen werden die Delegierten am Ende für sie abgeben? Sind es sehr viel weniger Stimmen als bei der Wahl ihres Vorgängers Gerhard Bökel, der nach der verlorenen Landtagswahl Anfang Februar zurückgetreten war, dann wird sie sich gegen die beiden mächtigen Landesbezirke Nord- und Südhessen nur schwer durchsetzen können. Unbeantwortet bliebe in diesem Fall auch die Frage nach dem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2008.

Wie es mit der verkrusteten Landespartei und ihren „total überalterten Ortsvereinen“ weitergehen soll, weiß Ypsilanti selbst nicht so recht. Erst einmal will sie die gesamte Struktur der hessischen SPD bis hinunter zum kleinsten Ortsverein auf den Prüfstand stellen. Um die Programmatik zu erneuern, will sie einen „Think-Trust“ will einrichten und Debatten in den Ortsvereinen „anleiern“. Die Basis müsse bei der Entscheidungsfindung wieder mehr Gewicht bekommen, sagt sie.

Fertige Entwürfe will Ypsilanti auf dem Parteitag also nicht präsentieren. „Gewisse Vorstellungen, so Ypsilanti, habe sie aber schon. Die SPD müsse wieder die Partei der sozialen Gerechtigkeit werden. Nur so könnten verloren gegangene Wähler zurückgeholt und neue gewonnen werden. Gegen den Berliner Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement macht sie deshalb Front. Dafür, dass ein Aufweichen des Kündigungsschutzes neue Arbeitsplätze schaffen könne, gebe es „keinen Beleg“. Die Debatte sei eine „überflüssige Provokation der eigenen Partei“. Clement habe aus den Wahlniederlagen in Niedersachsen und Hessen offenbar „nichts gelernt“.

Auch der Kanzler bekam für die Regierungserklärung vom 13. März sein Fett weg. „Ältere Arbeitnehmer nach 12 oder 18 Monaten in die Sozialhilfe abgleiten zu lassen, ist für mich nicht akteptabel“, schrieb Ypsilanti dem Kanzler ins Stammbuch. Ist Ypsilanti also eine Traditionalistin? Nein, sagt sie selbst. Aber bei den anstehenden Reformen dürften die Lasten nicht einseitig auf die Arbeitslosen und die Beschäftigten verteilt werden. Dann seien die Menschen auch bereit, auf vieles zu verzichten.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT