schwarz-grün
: Stoiber bleibt Kanzlerkandidat

Über nichts lässt sich so wohlfeil debattieren wie über Probleme, die man selbst nicht hat. Ausgerechnet CSU-Chef Edmund Stoiber erteilt jetzt der Schwester CDU den Ratschlag, sie könne es im Superwahljahr 2004 mal mit Schwarz-Grün auf Landesebene probieren – ausgerechnet jener Mann also, dessen Partei im Bayerischen Landtag über eine Zweidrittelmehrheit verfügt.

KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Gerade deshalb eignet sich das Thema so gut wie kaum ein anderes, um Stoibers Führungsanspruch innerhalb der Union zu demonstrieren. Ob er sich bislang über die Steuerpolitik ausließ oder über die Wirtschaftsförderung im Osten: Das alles ließ sich mit viel gutem Willen noch unter die Vertretung bayerischer Interessen subsumieren. Mit der Bündnispolitik der CDU-Kollegen aber hat der Münchener Ministerpräsident nun wahrlich nichts zu schaffen – wohl aber der bundesweite Frontmann der Union und Kanzlerkandidat in spe, zu dem sich Stoiber mit dieser Äußerung einmal mehr selbst ausgerufen hat.

Ärgern darf sich Konkurrentin Angela Merkel auch, weil Stoiber nach dem Hickhack um die Steuer schon wieder neuen Streit in die CDU-Reihen trägt und so Merkels konservative Kritiker zum Widerspruch reizt. Zwar melden sich in Bayern mit CSU-Rechtsaußen Norbert Geis ebenfalls die üblichen Verdächtigen zu Wort, aber das dient nur dem Zweck der Übung: Stoiber kann sich einmal mehr als Mann der Mitte profilieren.

Zu guter Letzt zielt Stoibers Giftpfeil auch auf die Grünen selbst. Der Tonfall, in dem ausgerechnet der Lieblingsfeind aus Bayern die „bürgerliche Herkunft“ der Ex-Alternativen lobt, dürfte Schwarz-Grün in deren Reihen nicht populärer machen – zumal der erste Applaus just von Oswald Metzger kam, der bei den Grünen längst zur Symbolfigur für den Verrat an alten Prinzipien avanciert ist.

Wäre Stoiber an Schwarz-Grün ganz ernsthaft interessiert, dann hätte er geschwiegen. So halten es alle ernsthaften Befürworter dieser Option, die in beiden Parteien mittlerweile recht zahlreich sind. Sie haben vom Vorbild des Berliner Sozialdemokraten Klaus Wowereit gelernt. Als Wowereit im Stadtstaat noch Fraktionschef war, schimpfte er lauter als mancher Parteifreund über die Postsozialisten von der PDS. Wenig später ließ er sich von ihnen zum Bürgermeister wählen. Was damals für Rot-Rot galt, gilt heute für Schwarz-Grün: Man darf nicht darüber reden, man muss es einfach machen.

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