Waterloo für Hamburgs Napoleon

HSV Hamburg verliert in der Handball-Bundesliga mit 29:30 beim Tabellenletzten SG Willstätt-Schutterwald. Im Vergleich zu ihren begeisternden Heimspielen scheiterten die Hanseaten auswärts zum wiederholten Mal an ihren schwachen Nerven

„Die Gastgeber hatten den größeren Siegeswillen“: Bob Hanning

von HARALD BLEYER

Bob Hanning als Extrainer der SG Willstätt-Schutterwald wurde beim Spiel in der Handball-Bundesliga am Sonnabend wie vermutet kein freudiger Empfang mit seiner neuen Mannschaft HSV Hamburg bereitet. Zum Schluss hat die südbadische Handballprovinz gegen die Millionenmetropole eine Sensation hingelegt und Hanning bei der 29:30-Niederlage sein Waterloo erlebt. Der Abgang vom 17. Dezember in Nacht und Nebel nach dem Heimsieg über GWD Minden hatte im südbadischen Umfeld einen bitteren Nachgeschmack behalten. Und nun kam der von den Hamburger Medien getaufte Handball-Napoleon zurück in die Ortenau.

Im Vorfeld hatte Hanning fast schon das Verletzungspech wie in Willstätt gepachtet. Mit Torhüter Tomas Svensson und Bertrand Gille musste er auf zwei Topkräfte verzichten, aber trotzdem hätte seine Mannschaft stark genug sein müssen, die Hürde beim Bundesliga-Schlusslicht zu nehmen. Jedoch scheiterte der Star-Kader der Hamburger einmal mehr wieder an seinen Nerven.

Dieses Manko hat auch Bob Hanning nicht ausgleichen können. Im Vergleich zu den begeisternden Auftritten in der heimischen Color Line Arena bleiben die Auswärtsbundesligaauftritte des HSV im bescheidenen Maß. Zudem ließ sich der HSV in den ersten zehn Minuten von der Emotionalität der Begegnung nicht anstecken. Die Heimmannschaft agierte um Stig Rasch, Martin Valo oder Mathias Aschnbroich viel zu durchschlagslos im Angriff, und die Hanning Truppe hatte es leicht, mit 4:1 in Führung zu gehen. Glück hatte danach National-Linksaußen Adrian Wagner, dass er beim Foulspiel gegen SG-Kreisläufer Toto Kantimm beim erfolgreichen Torwurf nicht Rot statt einer Zweiminuten-Strafe bekam. Da hatten die Waiblinger Schiedsrichter Heinz und Hock bei der ungestümen Aktion von Wagner ein Auge zugedrückt. Kantimm musste mit einer Fingerverletzung in die Kabine, konnte aber später weiterspielen.

Willstätt machte sich dann von seiner Nervosität frei und glich erstmals beim 5:5 (12. Minute) aus. Eine Führung gelang bei allem Bemühen zunächst nicht. Vielmehr hatten nach Aussage von Bob Hanning seine neuen Schützlinge bis zum 14:10 (25.Minute) die Zügel fest in der Hand.

Immer wieder verstand es insbesondere der Ex-Kieler Thomas Knorr, eine Lücke im Willstätter Abwehrverband zu schaffen. Der Ex-Nationalspieler konnte seine Torquote auf acht Gesamttreffer aufstocken. Jedoch war auf der halbrechten Rückraumposition der Spanier Bestagiu ein kompletter Ausfall, er kam nur zu zwei Törchen. Dann wuchs aber die SG-Deckungsreihe über sich hinaus, und mit dem Halbzeitpfiff beim Stande von 15:15 war der Gastgeber wieder im Spiel.

Auch wenn der HSV Hamburg von den Führungen her in der zweiten Halbzeit optisch immer gut aussah, was die Zwischenstände von 17:16 und 18:17 Führung dokumentierten, konnte Willstätt mit Zwischenständen von 19:18 und 20:19 langsam das Blatt wenden. Auch wenn dann wieder das Tief folgte mit dem 20:23 Rückstand (42. Minute).

Auch nach Meinung von Bob Hanning zeigten die Badener einfach an diesem Tage im Existenzspiel um den Klassenerhalt den größeren Siegeswillen. Hanning hatte zu diesem Zeitpunkt schon fest an den Sieg seiner Mannschaft geglaubt. „Da hätten wir einfach den Punktesack zumachen müssen. Aber unter anderem ein starker Torwart Markus Lindblad, der Goran Stojanovic in nichts nachstand, hielt uns auf. Und dann traf der SG-Angriff gegen uns nach Belieben.“ Vor allem Jesper Degn Jensen, der nur wenige Wochen nach seiner Leisten-Operation wieder auf dem Platz stand und fünf Tore warf, entwickelte sich für die Gastgeber zum Trumpfpunkt.

Und in der Tat war nach dem 25:25 durch Jonas Ernelind (50.) für mehr als sechs Minuten das SG-Tor wie vernagelt für die Hamburger, die Willstätter hingegen trafen bei jedem Angriff nach Belieben. Unnötige Zeitstrafen handelte sich insbesondere im Abwehrzentrum des HSV zudem Joakim Akren ein, sodass die SG Willstätt-Schutterwald auf 30:25 (56.) wegziehen konnte. Am Ende langte es für die Hamburger nur zu einer Ergebniskosmetik. Hanning sprach in der Pressekonferenz denn auch von größerem Siegeswillen der Gastgeber. „Sie haben gefightet bis zum Schluss.“

Die Statistik zum Spiel: SG Willstätt/Schutterwald: Lindblad (Schneider), Seb. Aschenbroich, M. Aschenbroich, Tim Baur, Thorsten Kantimm (5 Tore), Jens Tiedtke (4), Bernd Kroner (2), Jesper Degn Jensen (5), Stig Rasch (5/2 Siebenmeter), Andreas Kunz , Martin Valo (6), Daniel Grgic (1). HSV Hamburg: Goran Stojanovic, Roman Judycki, Tormod Moldestad (1), Moustapha Tay (1/1), Peter Möller (3), Jonas Ernelind (7/2), Joachim Akgren, Thomas Knorr (8/1), Adrian Wagner (2), Kjell Landsberg, Andre Siniak (4), Belastui (2). Zuschauer: 2.000 Zeitstrafen: zehn Minuten SG Willstätt-Schutterwald, HSV Hamburg zwölf Minuten. Siebenmeter: SG 4/2. HSV Hamburg: 8/6.