„Transit“-Besetzer trifft kaum Schuld

Das Kölner Amtsgericht stellt das Verfahren gegen sechs Demonstranten ein, die vor 14 Monaten im Deutzer Hafen das für Flüchtlinge vorgesehene Containerschiff „Transit“ besetzt hatten. Beklagte prangern im Prozess städtische Flüchtlingspolitik an

VON THOMAS SPOLERT

Mit ihren Körpern wollten die Demonstranten am 10. Dezember 2002 – dem internationalen Tag der Menschenrechte – verhindern, dass das von der Stadt Köln angemietete Containerschiff „Transit“ im Deutzer Hafen anlegt. Dort wollte die Stadt über 300 Flüchtlinge unterbringen. Die Protestler seilten sich zwischen Kaimauer und Hafen ab. Andere sprangen auf das Schiff, spannten dort ein Protest-Transparent auf. Gestern standen sechs von ihnen wegen Hausfriedensbruch vor dem Amtsrichter. Wegen geringer Schuld stellte dieser das Verfahren gegen die Angeklagten ein.

Deren Proteste hatten damals keinen Erfolg. Wenige Tage später kamen die ersten Flüchtlinge aufs Schiff. Die Wohnverhältnisse waren eng und unhygienisch. Zeitweise lebten über 200 Menschen dort, vorwiegend Roma-Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, die vorher zum Teil in einem Containerlager in Kalk untergebracht waren. Darunter befanden sich auch 90 Kinder, obwohl OB Fritz Schramma (CDU) versprochen hatte, dort keine Kinder unterzubringen. Der Stadt sollte die „Transit“ offenkundig als Abschreckung dienen, um neue Flüchtlinge vom Zuzug nach Köln abzuhalten. Erst im Herbst 2003 wurde das Lager auf dem Schiff aufgelöst.

Die Beklagten schilderten dem Gericht, warum sie das Flüchtlingsschiff besetzt hatten. Sie nutzen dabei die Gelegenheit, die städtische Flüchtlingspolitik scharf anzuprangern. Denise A. berichtete, dass sie im Sommer 2002 die Flüchtlingscontainer in Kalk besichtigt hätte. Die Situation dort „grenzte an schwere Körperverletzung“, so die Beklagte. Als sie von dem Containerschiff erfuhr, habe sie sich verpflichtet gefühlt, dagegen zu demonstrieren. „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“, fasste sie ihre Motivation zusammen und fragte: „Was hätten wir am Tag der Menschenrechte anderes tun sollen?“ Die Zuschauer im Gerichtssaal applaudierten.

Oliver H. erklärte, er könne den Vorwurf des Hausfriedensbruchs nicht nachvollziehen. Angesichts der unmenschlichen Unterbringungen für Flüchtlinge, die auf dem Schiff in noch kleinere Einheiten zusammengepfercht werden sollten als in Kalk, sei die Aktion der Menschenrechtler „mehr friedensstiftend denn ein Hausfriedensbruch“.

Auch eine andere Angeklagte hatte die Flüchtlingscontainer in Kalk besucht. Die dortige Situation habe sie „betroffen gemacht“. Sie habe befürchtet, dass sich die Zustände auf dem Containerschiff noch mehr verschlechtern würden. Flüchtlinge aber hätten ein Recht auf eine angemessene Unterkunft und freie Entfaltung ihrer Lebensweise. Flüchtlingsheime seien indes eher ein Mittel der Abschreckung und ein Symbol der Ausgrenzung. „Das Reden über Integration von Flüchtlingen ist verlogenes Geschwätz“, sagte die Beklagte unter dem Beifall der Zuschauer. Sie würde jederzeit wieder so handeln.

Der Angeklagte René S. berichtete, dass er aus dem Osten kommend mit seiner Familie im Übergangslager Gießen gewesen sei. Somit kenne er die Situation von Flüchtlingen aus eigenem Erleben. „Ich finde es merkwürdig, dass wir hier wegen unseres Einsatzes für Menschenrechte angeklagt sind“, stellte er fest.

Bevor Amtsrichter Alfred Klimmer den Vorschlag machte, das Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen, hatte Verteidiger Detlev Hartmann bezweifelt, ob der Kapitän des Flüchtlingsschiffs überhaupt das Hausrecht hatte. Er bezweifelte außerdem, dass ein ausreichender Strafantrag gestellt worden sei.

Das Publikum nahm die Einstellung des Verfahrens mit Beifall auf. Die Beklagten waren nicht ganz zufrieden, wären lieber freigesprochen worden. „So habe ich jetzt in meinem polizeilichen Führungszeugnis einen Eintrag“, bedauerte Thomas S.