Die Angst des Torwarts vor den Spandauern

Wie ist es eigentlich, gegen die Wasserfreunde Spandau 04 im Kasten zu stehen und denselben mit schöner Regelmäßigkeit vollzukriegen? Paul Seidler, der Torhüter der Wasserballer vom Aufsteiger OSC Potsdam, musste sich dieser Frage am Wochenende stellen. Sein Team verlor 1:21

Nach drei Viertel des Spiels war Paul Seidler erlöst. 18 Gegentore musste der Torhüter der Wasserballer vom OSC Potsdam hinnehmen. Zeitweise im Minutentakt hatten ihm die Spieler der Wasserfreunde Spandau 04 die Bälle um die Ohren geworfen. „So wirklich Spaß hat das natürlich nicht gemacht“, gestand der 24-Jährige. Wie abgesprochen vertrat ihn der erst 18-jährige Christoph Schmidt im letzten Viertel. Der musste nur noch sechsmal hinter sich greifen. Mit 24:1 (11:0) gewann der deutsche Meister aus Berlin über den Aufsteiger.

Was wie eine große Demütigung klingt, war für den Potsdamer Keeper der erwartete Sonnabendnachmittag. Entsprechend locker steht er nach Spielende am Beckenrand. „Ich konnte mich schon vorher darauf einstellen“, sagt er. Er rechnete mit vielen Gegentoren und so ging er auch frohen Mutes an die Aufgabe heran. „Man muss auf kleine Erfolgserlebnisse hoffen und versuchen, möglichst viele Bälle zu halten“, erklärt er.

Viel gab es allerdings nicht zu halten. Nach gut einer Minute klingelte es schon zum ersten Mal in seinem Kasten. Immer wieder tauchten die Spandauer Angreifer alleine vor ihm auf. „Was soll man da machen? Als Torwart hast du in dieser Situation nur selten eine Chance.“

Körperlich und schwimmtechnisch waren die Spandauer einfach zu überlegen. Trotzdem fühlte sich Paul Seidler das eine oder andere Mal von seinen Vorderleuten im Stich gelassen. Zu Beginn des Spiels versuchte er noch, seine Abwehr lautstark aufzumuntern, mit fortschreitender Spieldauer wurde er immer ruhiger. „Ich habe das dann einfach runtergeschluckt“, sagt er. Es hätte vermutlich auch nichts geändert. Zu zaghaft präsentierten sich die jungen Potsdamer. „Angsthasenwasserball“ nennt es Spandaus sportlicher Leiter Peter Röhle.

So konnte sich Paul Seidler über mangelnde Beschäftigung nicht beklagen. Nur selten hatte er Zeit, sein Gegenüber zu bewundern. Spandaus Schlussmann Alexander Tchigir hatte im Gegensatz zu Seidler einen geruhsamen Nachmittag. Ihm blieb sogar Zeit für kurze Plaudereien mit den Auswechselspielern. Und wenn er tatsächlich einmal gefordert wurde, war er da. Mit starken Paraden konnte der Nationaltorhüter bis 37 Sekunden vor Schluss ohne Gegentor bleiben.

„Wenn man den so sieht, ist das schon großartig“, gesteht Paul Seidler. „Aber er betreibt diesen Sport vermutlich viel intensiver als ich.“ Paul Seidler nimmt es locker. Er kann der Lehrstunde sogar etwas Komisches abgewinnen. In der letzten Zweitligasaison waren es noch die Potsdamer, die einige Spiele so hoch gewannen. „Jetzt weiß ich, wie sich das anfühlt“, sagt er.

Es bleibt dennoch die Diskussion um den sportlichen Wert einer solchen Partie. „So macht das für beide Seiten keinen Sinn“, sagte Peter Röhle. Ein wenig mehr Gegenwehr hatten sich die Berliner schon erhofft. „Keiner erwartet, dass sie hier gewinnen, aber wenigstens hätten sie mit Herz spielen können.“ Deshalb hat Peter Röhle, früher selbst einmal ein großartiger Torhüter, nur wenig Mitleid mit Paul Seidler. „Da muss er sich bei seiner Mannschaft beschweren.“

Die Potsdamer rechtfertigten sich, dass sie nur einen Tag später ein schwieriges und wichtiges Spiel gegen den SC Wedding zu bestreiten hätten. „Wir wollten uns nicht aufreiben“, sagt OSC-Trainer André Laube. „Allerdings wären wir schon gerne unter 20 Gegentoren geblieben.“ Sein Torhüter hätte es ihm sicherlich gedankt.

Wenn weiter alle Teams vor Ehrfurcht vor den Spandauern erstarren, werden auch die nächsten Partien so enden. Drei Siege und 61:8 Tore hat Spandau 04 schon nach drei Spieltagen auf dem Konto. Der 29. Meistertitel scheint beschlossene Sache.

Paul Seidler hat jetzt jedenfalls erst einmal ein paar Tage Ruhe vor den Spandauer Wurfgeschossen. Am 30. November wird er ihnen aber erneut gegenüberstehen. Dann in heimischen Gewässern, und vielleicht lässt ihn seine Abwehr dann nicht mehr so im Stich wie an diesem Sonnabend. NICOLAS SOWA