Zwang zur Schwarzarbeit

Mehr als die Hälfte aller Sozialhilfeempfänger, die zur Zwangsarbeit verpflichtet werden, bricht diese ab. Ursache dafür und oft auch der Verbleib der Leute sind ungeklärt

Ein Ziel des „1-Euro-Programmes“ hat der Senat tatsächlich erreicht: Die Zahl der Sozialhilfeempfänger nimmt dadurch ab. Das liegt allerdings nicht daran, dass alle Empfänger staatlicher Leistungen, die zur Zwangsarbeit verpflichtet worden sind, anschließend in einen regulären Job vermittelt werden. Vielmehr bricht ein großer Teil das „1-Euro-Programm“ ab, bekommt zur Strafe die Unterstützung gestrichen – oder taucht nie wieder beim Sozialamt auf. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Senatsanfrage der SPD-Abgeordneten Petra Brinkmann hervor.

Das „1-Euro-Programm“ ist vorigen Juni in Hamburg eingeführt worden. Mit diesem können SozialhilfeempfängerInnen verpflichtet werden, für einen Euro Lohn die Stunde „gemeinnützige Arbeit“ zu verrichten. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) bezeichnete es als Maßnahme, die „Selbsthilfepotenziale“ der Menschen zu stärken. Drei bis sechs Monate müssen sie die zugeteilte Arbeit verrichten, erst anschließend haben sie die Option, bei einem Beschäftigungsträger eine normal entlohnte Arbeit zu bekommen.

Bis Ende vorigen Jahres, so die aktuellsten Zahlen, sind 1.115 Menschen dazu verpflichtet worden – und 681 haben die Maßnahme vorzeitig abgebrochen. 191 Männern und Frauen wurde die Sozialhilfe daraufhin gekürzt. 28 Personen sind nie wieder zum Sozialamt gekommen. „In der Annahme, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können“, antwortet der Senat der SPD, „wurde die Sozialhilfe eingestellt.“

Niemand weiß, wo diese Menschen geblieben sind. „Das Phänomen taucht bei allen Zwangsverpflichtungen bundesweit auf“, sagt Wolfgang Völker vom Diakonischen Werk. „Die Leute sind abgeschreckt und trauen sich nach dem Abbruch der Maßnahme nicht, wieder zum Sozialamt zu gehen.“ Er hält es für einen zweifelhaften Erfolg des 1-Euro-Programmes, wenn Menschen aus Angst „ihre Ansprüche nicht mehr stellen“. Auch eine Sozialarbeiterin, die Arbeitslose berät, hat die Erfahrung gemacht, dass viele Abbrecher sich „lieber irgendwie so durchschlagen“ als noch einmal zum Sozialamt zu gehen. „Dort sind sie einem sehr großen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt.“

Petra Brinkmann findet es richtig, Abbrechern, „die nicht arbeiten wollen“, die Unterstützung zu streichen. Zunächst aber müsste einmal geklärt werden, warum überhaupt so viele Teilnehmer das 1-Euro-Programm frühzeitig beenden. „Manche sind vielleicht gar nicht in der Lage, mehrere Stunden am Stück zu arbeiten“, vermutet die SPD-Abgeordnete. „Die schaffen nicht einmal das 1-Euro-Programm.“ Die Gründe für den Abbruch aber sind dem Senat nicht bekannt. Nicht einmal die der 462 Betroffenen, die sich erneut zum Sozialamt getraut haben.

ELKE SPANNER