Auf Seelenfang für Father Seb

Countrypop bizarr: Das norwegische Bluegrass-Duo HGH predigte im Tower von Pizza und Pilzen

Martin und sein Bruder beziehungsweise Neffe Geb leben auf einer heruntergekommen Inzestfarm in den Bergen Norwegens. Hier vertreiben sie sich die Zeit meist mit selbstgebranntem „Moonshine“-Schnaps, halluzinogenen Pilzen und Dutzenden von Videos. Seit sie aber in Father Seb’s Pizzeria in Norditalien Zeuge wurden, wie das Kruzifix an der Wand anfing, Olivenöl mit Wunderheilkräften zu weinen, zieht es sie immer wieder hinaus in die Welt, um das Wort ihres „geistigen Führers“ zu predigen.

So bunt ist der Alltag des norwegischen Country-Bluegrass-Duos Hagfors-Gebhard-Hickstars – zumindest, wenn man den bizarren Stories glauben schenkt, die der listig grinsende Martin Hagfors und der unschuldig dreinblickende Haakon Gebhardt ihrem Publikum im Tower auftischen.

An den beiden umtriebigen Multiinstrumentalisten – Gebhard ist hauptberuflich Schlagzeuger von Motorpsycho, Hagfors spielt nebenher noch bei Home Groan – sind echte Storyteller verlorengegangen. Mit unaufhaltsamer Lust am Fabulieren spinnen sie zwischen ihren Songs minutenlange Ansagen zusammen. Ähnlich wie Max Goldt in seinen Kurzessays, schweifen sie dabei meilenweit vom eigentlichen Thema ab und verzetteln sich in immer absurderen Wendungen, kriegen dann aber doch jedesmal wieder die Kurve zur Ankündigung des nächsten Songs.

Obwohl die schräg-schönen Country-Popsongs allein schon genug Unterhaltungswert besitzen, steht solcherlei Entertainment bei den Auftritten von HGH klar im Vordergrund. Mit albernen Verkleidungen und ungewöhnlichen Instrumenten wie Ukulele, Kazoo und Spielzeugklavier versetzen die beiden Wanderprediger die Menge in Ekstase.

Und als Hagfors bei der letzten Zugabe weltentrückt ein ausuferndes Gospel zu Ehren Father Sebs zelebriert, kann er sich sicher sein: An diesem Abend hat er wieder ein paar Seelen mehr gerettet. Till Stoppenhagen