Der reife Junge

Jens Crueger ist 18, macht gerade sein Abitur, züchtet Amphibien und möchte nach der Wahl für die Grünen in der Bürgerschaft sitzen. Den Politsprech beherrscht er bereits beängstigend gut

„Mein ganzes Herzblut hängt an der Umwelt- und Flächenpolitik“

taz ■ Der junge Mann steht unter Strom. Irgendwie dauernd. Das gibt er auch selbst zu. Und es scheint, als lebe Jens Crueger gut damit. Mehr als sechs Stunden Schlaf gönnt sich der Schüler aus Arbergen, der gerade sein Abitur am Alten Gymnasium macht, selten. Wenn sich sein Traum erfüllt, und er nach der Bürgerschaftswahl im Mai tatsächlich für die Grünen im Parlament sitzen darf, dann wird das mit dem Schlaf kaum mehr werden. Jens Crueger wäre mit seinen 18 Jahren mit Abstand der jüngste Abgeordnete in der Bürgerschaft. Auf den zehnten Listenplatz haben ihn die Grünen gewählt, seine Chancen dort stehen so schlecht nicht: 13,5 Prozent bräuchte seine Partei, damit er reinrutschte in die Fraktion, hat man ihm bereits vorgerechnet. „Völlig aussichtslos isses nicht“, sagt der Nachwuchspolitiker.

Seit zwei Jahren macht Jens Crueger bei der Grünen Jugend mit, die, darauf legt er Wert, organistorisch von der Grünen Partei getrennt ist. Doch längst hat er sich auch „mit der Altpartei angefreundet“ – Crueger sitzt im Landesvorstand, vier Abende in der Woche gehen derzeit für Polit-Termine drauf. „Ich war schon immer einer, der sich zumindest an den Rand des Mittelpunkts gedrängt hat“, sagt er. Auch „Sketche aufgeführt“ habe er schon.

Die politischen Anfänge von Jens Crueger reichen weit zurück. Er war schon vor Jahren beim Naturschutzbund und bei der Bürgerinitiative „Erhaltung der Wesermarsch im Bremer Osten“ aktiv, merkte aber irgendwann, „dass man da als junger Mensch gegen Wände läuft“. Im Laufe seiner „Emanzipation von den erwachsenen“ Politaktivisten stieß der Teenager dann im Internet auf die Grüne Jugend. „Das schau ich mir mal an“, sagte Crueger – und blieb dort hängen.

Seit der vegangenen Bundestagswahl ist er auch Mitglied der Grünen. „Man sollte sich auf den Spagat einlassen und in die Altpartei eintreten“, so Crueger, der nebenher als Drummer in der Bremer Dudelsack-Band „Crest of Gordon“ spielt und Amphibien züchtet. Der Schüler hat eine eigene Homepage (www.molche.net) ins Internet gestellt, „drei Becken mit Viechszeug“ hat er noch, aber für neue Züchtungen bleibt derzeit keine Zeit. Er halte die Tiere „nicht aus einem konsumtiven Ansatz heraus“, beeilt er sich klarzustellen, sondern um wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Auch „Fachvorträge“ habe er darüber schon gehalten. Hört man Crueger so reden, könnte man ihn für frühreif halten oder für altklug. Vielleicht aber ist er einfach nur klug.

Crueger würde nicht blauäugig in die Bürgerschaft einziehen. „Ich kann nicht ins Parlament gehen und fordern, dass alle Schüler kostenlos mit der BSAG fahren sollen“, sagt er. Forderung der Grünen Jugend bleibe das dennoch, ebenso wie die Herabsetzung des Wahlalters oder die Verweigerung von Überflugrechten für die Amerikaner.

Sehr gerne würde er „frischen Wind, eine andere Denke“ in die Bürgerschaft bringen. Klar, es sei immer „eine Gratwanderung, wie weit man mit seiner Position kommt, wo man an Sachzwängen scheitert“ sagt Jens Crueger, dessen „ganzes Herzblut“ an der Umwelt- und Flächenpolitik hängt. Dafür würde er, der freimütig zugibt, „gerne und viel“ zu reden, auch das Aktenstudium nicht scheuen. Man müsse den Flächenfraß stoppen, zählt er einige seiner Ziele auf, Industriebrachen „revitalisieren“ und vorhandene Gewerbeflächen „verdichten“. Die „begleitende Gesundheitsforschung“ rund um UMTS-Standorte ist ihm wichtig, und eine Stärkung der Beiräte, die derzeit nur Alibi-Funktion hätten. Dann sagt Crueger so einen Satz, der zeigt, wie beängstigend gut er den Politsprech schon drauf hat: „Im Sinne einer aktiven Bürgerbeteiligung könnte man dieser Stadt viel zurückgeben, was an demokratischer Struktur verlorengegangen ist.“

Und was, wenn es nicht klappt mit dem Parlament? Dann will Crueger erst mal Zivildienst machen und studieren, irgendwas „in Richtung Geistes- oder Sozialwissenschaften“. Und er hätte wohl mehr Zeit für seine Freundin. Die ist übrigens auch bei der Grünen Jugend. Markus Jox