20 Euro für Sex mit Frauen im Flüchtlingslager

Im österreichischen Flüchtlingslager Traiskirchen soll eine Afrikanerin von einem Betreuer vergewaltigt worden sein

WIEN taz ■ Flüchtlingsfrauen in Traiskirchen, Österreichs größtem Flüchtlingslager, laufen Gefahr, missbraucht oder zum Sex erpresst zu werden. Diesen Vorwurf überprüfen Behörden, seit eine Kamerunerin gegen einen Ex-Wachmann Anzeige erstattete. Die Gendarmerie, die den Verdächtigen in Untersuchungshaft nahm, hält die Vorwürfe für glaubwürdig. Es handelt sich um einen 47-jährigen Mann, der nach der Affäre angeblich aus anderen Gründen entlassen wurde. Er behauptete, die Frau habe sich ihm freiwillig hingegeben.

Seit dem Vorfall, der sich Mitte Januar ereignete, wird das Haus 8, wo sich nur Frauen und Kinder aufhalten, ausschließlich von weiblichem Personal bewacht. Hilfsorganisationen und die Grünen fordern Innenminister Strasser auf, der deutschen Firma European Homecare die Flüchtlingsbetreuung, die ihr Mitte letzten Jahres übertragen wurde, zu entziehen.

Der Caritas war zu Jahresbeginn eine Mail zugegangen, wonach Mitarbeiter der Betreuungsfirma Flüchtlingsfrauen für Sex bezahlen würden. Philipp Sonderegger von der Organisation SOS Mitmensch hält die Vorwürfe für glaubwürdig. Flüchtlinge stünden bei dieser Unterbringungssituation in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Betreuern. Solange dieses Machtverhältnis bestehe, müsste sexueller Verkehr zwischen Flüchtlingen und Personal strikt ausgeschlossen werden, um Missbrauch zu verhindern. Der Preis für Geschlechtsverkehr soll 20 Euro betragen.

Der deutsche Lagerleiter Eckard Wilcke zeigte sich besorgt über die Vorwürfe. Er wisse aber nichts von einer Anzeige. Auch dass die Afrikanerin psychologisch betreut werde, sei ihm unbekannt. European Homecare sei nur für Verpflegung und Quartier zuständig. Die Kritiker entgegnen ihm, dass er auch für den Wachdienst, den er engagiert habe, verantwortlich sei.

Es ist dies nicht der erste Vorwurf gegenüber dem gewinnorientierten Sozialleistungsbetrieb mit Firmensitz in Essen. Im vergangenen Sommer hatte die Lagerleitung trotz Warnungen vor Spannungen eine Schlägerei zwischen Moldawiern und Tschetschenen nicht verhindert. Für einen Tschetschenen endete der Streit tödlich. European Homecare hatte die Ausschreibung zur Flüchtlingsbetreuung mit einem Billigangebot von 12,90 Euro pro Person und Tag gewonnen. Laut Caritas und Diakonie, die ein Angebot vorgelegt hatten, ist zu diesem Preis keine menschenwürdige Versorgung möglich. Die Mahlzeiten werden tiefgekühlt aus Ostdeutschland importiert, was die lokalen Lebensmittelhändler erzürnt.

Innenminister Strasser, der die Privatisierung der Flüchtlingsbetreuung durchgesetzt hatte, will alle Vorwürfe prüfen lassen. Zur Aufkündigung des Vertrages mit European Homecare sehe er noch keinen Anlass.

RALF LEONHARD