Lösegeld statt Drogeneinkünfte?

In Delhi wird über die Entführung eines deutschen Entwicklungshelfers gerätselt

DELHI taz ■ Die Entführung des 47-jährigen deutschen Entwicklungshelfers Wolfgang Heinrich durch die nordostindische „Kuki Befreiungsarmee“ (KLA) wirft ein Schlaglicht auf eine Region, die selbst in Indien kaum bekannt ist. Der Mitarbeiter des Evangelischen Enwicklungsdienstes (EED) war am Samstag vor einer Woche im Bundesstaat Manipur entführt worden. Am Freitag forderte die KLA für seine Freilassung umgerechnet 200.000 Euro Lösegeld.

Indiens Nordosten setzt sich geografisch, politisch und ethnisch vom Rest des Landes ab. Er liegt näher bei Hanoi als bei Delhi und wird durch Bangladesch vom Rest Indiens getrennt. Die tribale Struktur der sieben Bundesstaaten macht sie zu einem schwer verständlichen ethnischen Kuriosum. Die KLA ist nur eine von vielen bewaffneten Separatistengruppen. Ihr Gegner ist nicht Delhi, sondern sind die Stämme der Nagas, der größten ethnischen Gruppe im Nordosten. Die britische Kolonialmacht hatte birmesisch-stämmige Kukis an den Randzonen von Naga-Gebieten angesiedelt, um einen Gürtel für den regierungstreuen König von Manipur zu schaffen, der ihn vor Angriffen der Naga-Kopfjäger schützen sollte. Nach Indiens Unabhängigkeit, als die Nagas für ihre Unabhängigkeit von Delhi zum 50-jährigen Guerillakrieg ansetzten, sollten auch die Kukis aus ihren Gebieten vertrieben werden. Es kam zur Stammesfehde.

Der Guerillakrieg machte große Teile des Nordostens schwer zugänglich. Beobachter in Delhi sind erstaunt über die Entführung Heinrichs durch eine Stammesguerilla, gehören solche Taten doch nicht zum lokalen Guerillainventar. Sie sehen das Motiv in den wachsenden Schwierigkeiten von Gruppen wie der KLA, ihre traditionelle Haupteinnahmequelle, den Opiumhandel aus Birma, weiter zu betreiben. Denn die Regierungen Indiens und Birmas sind in den letzten Jahren verstärkt gemeinsam gegen den Drogenhandel vorgegangen. BERNARD IMHASLY