Radikale Islamisten im Visier

Kurdische Kämpfer und US-Spezialeinheiten greifen die Gruppe Ansar al-Islam an. Für eine angebliche Giftproduktion gibt es keine Beweise

von INGA ROGG

Unterstützt von US-amerikanischen Spezialeinheiten haben Einheiten der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) einer radikalen Islamistengruppe am Wochenende einen schweren Schlag zugefügt. Bei den Kämpfen im irakisch-iranischen Grenzgebiet in der Nähe von Halabscha sollen nach PUK-Angaben über 100 Kämpfer der Ansar al-Islam (Helfer des Islam) getötet worden sein. An dem Angriff seien etwa 100 Soldaten der amerikanischen Special Forces beteiligt gewesen, die die Koordination der kurdischen Peschmerga-Einheiten übernommen hätten und die Zielangaben für das Bombardement der Ansar-Stellungen mit Tomahawks und B-52-Bombern an die US-Luftwaffe weitergaben.

Die Ansar al-Islam, die aus einem Zusammenschluss mehrerer radikaler kurdischer Islamistenfraktionen hervorgegangen ist, hatte der PUK im September 2001 den „heiligen Krieg“ erklärt und in den Grenzdörfern um Bijara und Tawella ein besonders finsteres, talibanähnliches Scharia-Regime errichtet. Nach der Niederlage der Taliban in Afghanistan fanden hier auch so genannte arabische Afghanen Zuflucht, die für die Taliban oder Ussama Bin Ladens Al-Qaida-Netzwerk im Afghanistankrieg gekämpft hatten. Arabische und kurdische Medien berichten, dass bei den Kämpfen am Wochenende auch ein Palästinenser gefangen genommen wurde.

Die US-Regierung hatte die Gruppierung beschuldigt, in ihrem militärischen Ausbildungslager Sergat tödliche Gifte zu produzieren und dabei auch Unterstützung vom Regime Saddam Husseins zu erhalten. Zweifelsfreie Beweise gibt es dafür bislang allerdings nicht.

Das Lager in Sergat war gleich zu Beginn der Luftangriffe vor einer Woche Ziel von amerikanischen Bombardierungen. Bislang haben die amerikanischen Spezialtrupps keine Angaben über eventuelle Erkenntnisse gemacht. Nach taz-Informationen unterliegt die Durchsuchung der Ansar-Stellungen nach Beendigung der Kämpfe den US-Spezialeinheiten – diese verweigern jedoch sowohl kurdischen wie internationalen Medien jede Auskunft über mögliche Informationen.

Bei den Angriffen wurde auch das in unmittelbarer Nachbarschaft des Lagers von Sergat gelegene Hauptquartier der „Islamischen Gemeinschaft Kurdistans“ (Komala) bei Kurmal getroffen – 60 ihrer Kämpfer wurden dabei getötet. Ob es sich hierbei um ein Versehen handelte, wie die PUK später behauptete, ist fraglich. In Kurdistan ist es ein offenes Geheimnis, dass die Islamische Gemeinschaft enge Kontakte zur Ansar al-Islam unterhält; in den letzten Monaten hatte sich die Organisation jedoch um verbale Distanz zu den Radikalen bemüht. Kurz vor der Offensive hatte die PUK ihren Kämpfern allerdings freien Abzug angeboten.

Die Offensive gegen die Ansar al-Islam ist die erste Manifestation der engen amerikanisch-kurdischen Militärkoordination. Mit der Schwächung der Radikalen soll verhindert werden, dass es bei dem bevorstehenden Angriff auf die vom Regime kontrollierten Erdölgebiete um Kirkuk zu einem Mehrfrontenkrieg kommt. Ob damit die Niederlage der Radikalen besiegelt ist, bleibt allerdings fraglich. Diese haben sich weiter ins unzugängliche Grenzgebiet zurückgezogen, von wo aus sie den Dschihad fortsetzen wollen. In den vergangenen drei Wochen haben sie zwei Selbstmordanschläge verübt, wobei auch ein australischer Kameramann getötet wurde. Weitere Attentate haben sie bereits angekündigt.