Die Schiiten überraschen die Besatzer

Im Süden des Irak bekommen Briten und Amerikaner kaum Hilfe. Der Widerstand ist weit stärker als erwartet

AMMAN taz ■ Eigentlich hatten die amerikanischen und britischen Truppen erwartet, im Süden des Irak als Befreier willkommen zu sein. Schließlich war die schiitische Mehrheit der Bevölkerung, die vorwiegend den Süden bewohnt, viele Jahre von der Regierung in Bagdad vernachlässigt und unterdrückt worden und hatte sich 1991 schon einmal gegen Saddam Hussein erhoben. Doch die amerikanisch-britische Befreiungstheorie hat sich bisher nicht bestätigt.

Letzte Woche stellten sich Meldungen aus britischen Geheimdienstkreisen über Aufstände in Basra als Wunschvorstellung heraus. Stattdessen müssen sich Amerikaner wie Briten heute im Süden mit äußerster Vorsicht bewegen und das, obwohl sie allerorten Wasser und Nahrungsmittel anbieten, wenn sie einen Landstrich kontrollieren.

Inzwischen behaupten die Verbündeten, Basra und der gesamte Süden seien im Würgegriff der „Feddayin Saddam“, wie die 40.000 Mann starke loyale Elitetruppe genannt wird. Eigentlich heißt es, wollen alle befreit werden, werden daran aber gewaltsam gehindert.

In Wirklichkeit scheint es aber zur Zeit nur wenige Schiiten zu geben, die den Amerikanern aktiv Hilfe leisten wollen. Meist bleiben die Leute in ihren Häusern und warten weiter, auf welche Seite am Ende das Pendel bei den Kämpfen ausschlagen wird. Doch gibt es offensichtlich einen nicht unerheblichen Teil der Schiiten, der derzeit überraschend gegen die „ausländische Invasion“ Widerstand leistet. Die Mehrheit der 470.000 Mann starken Armee besteht aus Schiiten, wenngleich die höheren Offiziere meist Sunniten sind. Das gilt ganz besonders für jene Einheiten, die im Süden kämpfen.

Auch die paramiliärischen Einheiten, von denen jetzt immer die Rede ist, wie beispielsweise der Jerusalem-Befreiungsarmee, haben viele Schiiten in ihren Reihen. Die US-Truppen beklagen sich immer wieder, dass sie aus dem Hinterhalt von kleinen Lkws angegriffen werden, auf denen schwere Maschinengewehre aufgepflanzt sind, dem typische Militärgerät der schiitischen Stämme im Süden des Landes, von denen es ursprünglich hieß, sie würden ihr Fähnchen sofort mit dem Wind drehen, wenn die US-Truppen erst einmal ihren Fuß in das Land gesetzt haben. Bisher gibt es zwar ein paar vereinzelte Fernsehbilder von Menschen, die die ausländischen Truppen freundlich begrüßen, aber keinen einzigen Bericht über eine aktive Beteiligung von schiitischen Milizen auf deren Seite. Offensichtlich hat man in der ganzen Rechnung den irakischen Nationalismus unterschätzt und die Wirkung von einzelnen Fatwas schiitischer Geistlicher, die zum Dschihad aufrufen.

Wenig hilfreich dürfte auch die derzeitig Verstimmung zwischen Washington und Teheran sein. Kamal Charrasi, der Außenminister des schiitischen Iran verkündete, dass seine Regierung im Irak keine von den USA installierte Regierung anerkennen wird. Die irakischen Schiiten haben sicherlich aufmerksam zugehört, zumal ein iranischer Fernsehsender in arabischer Sprache für viele derzeit das einzig empfangbare Programm darstellt. KARIM EL-GAWHARY