Hoch gerüstet in die Falle

Iraks Führung setzt auf Zeit und Guerillataktik mit vielen Opfern. Das soll die politischen Kosten für die Angreifer hochtreiben

von ERIC CHAUVISTRÉ

Für die US-Soldaten muss es zunächst so ausgesehen haben wie in den rosigen Planspielen ihrer Vorgesetzten, die ihnen ein schnelles Aufgeben der Iraker versprochen hatten. Ein paar irakische Männer kamen in Zivilkleidung auf die US-Soldaten zu und schienen sich zu ergeben. Als sie nahe genug waren, so wird berichtet, schossen die Iraker auf die Amerikaner. Auch für eine andere US-Gruppe schien alles nach Plan zu laufen. Als die Versorgungseinheit den vorrückenden Truppen in Richtung Bagdad hinterhereilte, vermuteten die US-Soldaten sich längst in sicherem Gelände zu bewegen. Dann kamen sie unter Beschuss, wurden getötet oder kamen in irakische Gefangenschaft.

Am Samstag gab es eine weitere Variation dieser Art von Kriegsführung. Vier US-Soldaten wurden nahe der Stadt Nadschaf von einer Autobombe getötet. Nach Angaben eines US-Militärsprechers gingen die Soldaten einem Mann in die Falle, der sein Taxi in der Nähe eines US-Kontrollpunktes angehalten hatte. Als sich Soldaten dem Auto näherten, ließ der Mann den mit Sprengstoff vollgepackten Wagen explodieren.

Aus der Perspektive der irakischen Militärplaner gehört dieses Vorgehen zu einer Strategie, die es dem Irak ermöglichen soll, die politischen Kosten des Krieges für die massiv überlegene US-Streitmacht in die Höhe zu treiben. Zur „normalen Militärpolitik“ sollten Selbstmordattentate künftig gehören, erklärte am Wochenende folglich Iraks Vizepräsident Taha Jassin Ramadan. Der technologischen Überlegenheit der USA wolle man religiösen Fanatismus entgegensetzen.

Erstaunen kann allenfalls, dass die Strategie auch so schnell funktioniert. Kritische Militäranalysten hatten mit solchen Anschlägen erst nach der Besetzung Bagdads und anderer Städte gerechnet. Mit dem Anschlag auf US-Soldaten in Beirut von 1983 bei dem 241 US-Soldaten starben, aber auch mit den jahrelangen Guerillaattacken auf israelische Soldaten im Südlibanon gab es historische Beispiele aus dem Nahen Osten für diese Art der Kriegsführung.

Absehbar war deshalb, dass die irakische Führung mit allen Mitteln eine direkte militärische Auseinandersetzung umgehen würde. Dies insbesondere nach der schnellen militärischen Niederlage 1991. Damals waren die in der Wüste versammelten irakischen Truppen ein einfaches Ziel der US-Luftwaffe.

Die von den Irakis betriebene Strategie könnte schnell eine Eigendynamik entwickeln und schließlich zu sehr vielen Toten und Verletzten führen. Denn nehmen die Guerillaaktionen gegen die US-Truppen zu, dann wird es auch vermehrt zu gezielten Angriffen der US-Streitkräfte auf unbewaffnete Iraker geben. Am Wochenende berichtete die New York Times, US-Offiziere hätten vereinzelt schon die Order ausgegeben, auch dann anzugreifen, wenn sich angebliche militärische Ziele in Schulen oder Wohngebieten befänden. Nachdem zehn Soldaten einer Einheit der Marineinfanteristen aus einer Menge getroffen wurden, gab ihr Vorgesetzter dem Bericht zufolge den Befehl, auf die Menge zu schießen, auch wenn dabei Kinder und offensichtlich Unbewaffnete getötet werden würden.

Sollten sich solche Fälle häufen, spielen die US-Truppen damit in die Hände der irakischen Planer. Die irakische Propaganda braucht den Hass auf die Amerikaner dann gar nicht künstlich zu schüren. Auch auf die absehbare internationale Empörung setzt die irakische Strategie. Je mehr Berichte es gibt über Massaker an Zivilisten, desto stärker wird er internationale Protest gegen den Krieg werden.

Der militärische Erfolg im Golfkrieg 1991 hat die US-Regierung ironischerweise politisch noch verwundbarer gemacht: Vier Wochen Bombardements, dann ein schnelles Vorrücken in den Irak, auf amerikanischer Seite nicht viel mehr Tote und Verletzte als bei einem Manöver derselben Größenordnung: das weckte die Erwartung in der US-Öffentlichkeit, dass Krieg künftig immer ohne große Verluste unter den US-Soldaten ablaufen werden. Da die darauf folgenden großen Kriege ausschließlich (Jugoslawien) oder fast ausschließlich (Afghanistan) aus sicherer Entfernung mit Bomber und Marschflugkörpern geführt wurden, verstärkte sich dieser Eindruck.

Nach einigen kleinen Anschlägen reden US-Kommentatoren schon wieder von einem neuen Vietnam. Davon ist der Irakkrieg sicher noch weit entfernt. Doch auch damals ging das Pentagon davon aus, dass heftige Bombardements den Gegner in die Kapitulation treiben würde. Und auch damals führte erst die Art der Kriegsführung zu einer nationalen Identität unter den Vietnamesen, selbst in den Teilen der Bevölkerung, die das herrschende kommunistische Regime zuvor abgelehnt hatten.