Kulturstadt als Telefonjoker

Der KVR bestimmt am Montag den Ruhrbewerber für Europas Kulturhauptstadt. Zuvor riefen die Städte Bochum und Essen zum WAZ-Televoting auf. Dem WAZ-Konzern brachte jeder Anruf 24 Cent

VON ELMAR KOK

Die Städte Bochum und Essen haben ihre Sache gut gemacht. Auf ihren offiziellen Internetseiten waren die Telefonnummern zur Aktion der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung gut plaziert. „Stimmen sie für ihre Kulturhauptstadt Bochum!“, wurden die Besucher bis gestern 14 Uhr aufgefordert. Der Internetaufruf der Stadt Essen lautet: „Bitte rufen Sie an: Für Essen 0173/...“

Die Städte haben sich für die Kulturhauptstadtkampagne der WAZ einspannen lassen. Die Anrufer der Telefonnummer landeten bei der Firma Haka Audiotex, eine Tochter der WAZ-Firma Cityweb Network GmbH. Auf deren Anrufbeantwortern durfte der Anrufer Namen und Telefonnummer hinterlassen, denn es gab was zu gewinnen.

Das Stadtduell sei zu einem sportlichen Wettbewerb geworden, sagt der Sprecher Essens, Detlef Feige. Mit dem Bochumer Stadtsprecher Thomas Sprenger spielt er sogar in der gleichen Coverrockband. Bei den Proben wurde schon mal gefrotzelt, sagt Feige: „Da sage ich dann schon mal: Na haste schon nasse Hände?“ Um den WAZ-Wettbewerb zu gewinnen, seien die Angestellten der Städte angespitzt worden, das Anrufsystem der WAZ zu nutzen. „Es gibt Kollegen, die sagen in der Stadtverwaltung: Stimmt für Essen!“ 24 Cent kostete jeder gezählte Anruf – am Freitag Mittag gewann Essen das Televoting mit 51 Prozent.

Dass beide Städte darauf verzichteten, die Anruf-Gebühren deutlich zu machen, ist für Sprenger ein Fehler, „der eigentlich nicht passieren soll“. Feige meint, das sei nicht notwendig gewesen – die Gebühren veränderten sich, wenn aus anderen Netzen als dem der Telekom angerufen werde. Bei der Verwendung der Daten vertrauen die Städte der Audiotex. Ulrich Radespiel, Sprecher der Firma, sagt, die Daten werden nicht weiterverwendet, aber für das Gewinnspiel gespeichert. Viele Personen hätten aufgelegt, ohne die Daten zu hinterlassen.

Gegen die drohende Voting-Schlappe wehrte sich Bochum mit aller Macht. Für 1.800 Euro ließ die Stadt Postkarten drucken und verteilen, auf der die Bochumer Nummer nebst einem Frauenkussmund abgebildet ist. Warum die Stadt dieses Logo gewählt habe? „Weil es das WAZ-Logo ist“, sagt Sprenger, „wir haben es übernehmen dürfen.“ Insgesamt sei man mit der Performance der Aktion sehr zufrieden, sagt Sprenger: „Machen wir uns nichts vor, die WAZ ist hier die größte Zeitung“. Dadurch sei die Kulturhauptstadt-Bewerbung zum Thema geworden, für Montag hätten sich viele Medienvertreter angemeldet.

Dann fällt die Entscheidung in der Verbandsversammlung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR), welche Stadt das Ruhrgebiet bei der Bewerbung vertreten soll. Weder Essen noch Bochum wird offizieller Bewerber zur europäischen Kulturhauptstadt 2010, sondern das Ruhrgebiet wird durch eine dieser Städte vertreten, hatten die Oberbürgermeister der Ruhrgebietskommunen beschlossen.

Der Erfolg der Zeitungsaktion überrascht selbst die WAZ- Chefredaktion: „Die Reaktionen übertreffen alle Erwartungen“, sagt Chefredakteur Uwe Knüpfer, Initiator des WAZ-Engagements. Es sei gelungen, das Thema Kulturhauptstadt zu popularisieren, sagt Knüpfer. „Ich habe auf 24.132 Anrufer getippt, und jetzt knacken wir die 50.000!“