Das Keiflicht
: Bremer sind nie beleidigt

Bremer sein ist eine Herausforderung. Geduckt unter der Last einer Pro-Kopf-Verschuldung von 16.000 Euro schleichen wir über unser reichlich eng bemessenes Bundesstaatsgebiet und müssen der übrigen Republik gegenüber zugleich unseren Optimismus glaubhaft machen, die Sanierung der Landesfinanzen sei zu schaffen.

Und jetzt auch noch die Attacke der Edelfedern der Süddeutschen Zeitung, deren erbarmungslos grelles „Streiflicht“ Bremen ungespitzt in der norddeutschen Tiefebene versenkte. Unsere Nahrung ( Kohl & Pinkel): eklig. Unser Bier (Beck‘s): von den Belgiern geschluckt. Bremens Wirtschaft: darnieder. Bremens „Tatort“: brutal. Außerdem Pisa, Iglu, Kresnick.

Und wie reagieren wir drangsalierten Weser-Anrainer? Mit umgehender Kündigung der 1.403 Bremer SZ-Abos? Mit einem simplen Back-Bashing? Etwa: Was heiße hier „Werftenkrise“, in München sei ja wohl noch nie ein Schiff vom Stapel gelaufen?! Nein.

Sondern mit einem beiläufig-weltstädtisch genuschelten „only no news is bad news“. Also keineswegs als Jammer-Bremis, wie uns Alt- und Kaltbundeskanzler Helmut Schmidt wohl gerne unterstellen würde – der ja selten eine Gelegenheit auslässt, um die matererielle und seelische Autonomiefähigkeit des Stadtstaates zu bezweifeln.

Also: Klaus Sondergeld, Chef der Bremer Marketing Gesellschaft, verantwortlich für überrregionale Imagepflege, findet das Streiflicht schlicht und einfach „witzig“. Freilich könne man darüber spekulieren, ob nicht Ballack oder Salihamidzic die Autoren des anonymen Machwerks seien, um sich nach ihrem blamablen Pokalausstieg beim Zweitligisten Aachen abzureagieren, wo wiederum unser allseits bekannter Bürgermeister jetzt mit Ehrungen überhäuft werde. Natürlich komme einem auch in den Sinn, das Bayern München sechs Punkte hinter Bremen liege, 1860 München gar auf dem 12. Platz der Bundesliga-Tabelle rangiere. Aber wenn man so nah an den Alpen wohne, sei der Horizont eben verstellt, der Neid breche durch, Pöbeln und Meckern. Aber eigentlich: „einfach witzig“, das Streiflicht.

Und wie viele Euro muss er jetzt aufbringen, um das bundesweite Bremen-Bild wieder zu polieren? Keine, meint Sondergeld, „ach wo“. Das „Streiflicht“ arbeite ganz alleine am Bekanntheitsgrad der Stadt.

Derweil reagierte Bürgermeister Henning Scherf mit programmatisch-pragmatischem Aktionismus. Technisch nicht unversiert, setzte sich das Stadtoberhaupt an den Computer und gab im Netz die Suchkombination „Bremen“ und „Spitze“ ein – um den gemeinen SZ-Anwurf zu entkräften, dass die Begriffe „Bremen“ und „Schlusslicht“ eine „symbiotische Beziehung“ pflegen würden. Was geschah? Scherf stieß auf stolze 80.000 Treffer und die Bild Bremen titelte prompt: „Scherf schießt zurück“.

Das Nordwestradio, auch nicht faul, interviewte den aus München stammenden „Kulturhauptstadt-Bremen-2010-Mitarbeiter“ Uli Fuchs, der flockig auf Bremens Wetter hinwies (das sich gestern morgen in der Tat deutlich angenehmer als in Bayerns Hauptstadt präsentierte), um abschließend die unbeschwerte Parole auszugeben: „Man kann Bremen nur lieben.“ So sind wir. Hanseatisch. Gelassen. Zuversichtlich. HB