Die Bürde des Bürgers als Bürge

Bei der Vergabe der 10-Millionen-Landesbürgschaft an das Tempodrom soll Peter Strieder getrickst haben, sagen CDU und Grüne. Nein, sagt der Beschuldigte, alles war legal und gar CDU-verantwortet

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Grundmauern des Neuen Tempodroms wackeln – nicht lauter Rockklänge wegen, sondern weil die Landesbürgschaft für das Kulturzelt sich zur Affäre ausweitet. Die Oppositionsparteien im Berliner Landtag, CDU und Grüne, fordern die Untersuchung der Bürgschaften in Höhe von rund 10 Millionen Euro für das Tempodrom. Es müsse geprüft werden, ob die Landesbank Berlin (LBB) bei der Vergabe im Jahr 2000, neben dem 80-prozentigen Landesanteil auch der 20-prozentige Anteil der privaten Bürgen „ausreichend abgesichert“ gewesen sei, sagte der grüne Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger der taz. Nikolas Zimmer, CDU-Fraktionschef, und Schruoffeneger sprachen sich dafür aus, anstelle des Verkaufs, für das Tempodrom Insolvenz zu beantragen, dies sei „möglicher Weise die bessere Lösung“. Die Bauverwaltung dagegen macht die CDU für Bürgschaften verantwortlich und will wie Finanzsenator Sarrazin an der Linie festhalten, die Kulturinstitution zu entschulden.

Hintergrund der neuerlichen Aufregung um Tempodrom-Finanzen sind Berichte, nach denen bei dieser Bürgschaft „getrickst“ worden sei. Danach soll SPD-Bausenator Peter Strieder – Freund und Förderer des Tempodroms – 2000 im Aufsichtsrat der LBB sich für die Landesbürgschaft von 10 Millionen Euro ausgesprochen haben, damit der Bau überhaupt fertig gestellt werden konnte. Außerdem hätte der Ausschuss sich dafür ausgesprochen, der Gründerin Irene Moessinger als privater Bürgin 1,8 Millionen Euro – den 20-Prozent-Anteil – zu gewähren, obwohl diese nach eigenen Angaben „keine Sicherheiten“ nachweisen konnte. Um die Immobilie wie geplant schuldenfrei zu veräußern, will das Land für die gesamt Bürgschaft aufkommen. „Das ist Verschwendung öffentlicher Mittel“, kritisiert Zimmer.

Petra Reetz, Sprecherin der Bauverwaltung, wies Zimmers Kritik zurück. Strieder sei nicht unmittelbar an dem Vorgang beteiligt gewesen. „Der Bausenator saß damals nicht im LBB-Aufsichtsrat.“ Verantwortlich für die Bürgschaft seien 2000 die CDU-Senatoren Kurth (Finanzen) und Branoner (Wirtschaft) gewesen. Auch der Vorwurf, die Landesbürgschaft sei nicht öffentlich gemacht worden, stimme nicht, so Reetz zur taz. „Es gab eine Vorlage in den Ausschüssen.“

Sarrazin wies den Vorwurf zurück, dem Land entstünden durch die Übernahme der Beteiligung privater Bürgen höhere Kosten. Der Bürgschaftsvertrag sei „ein ganz normaler Vorgang“ gewesen, sagte Sarrazin. Das Land hafte maximal für 80 Prozent. Es sei auch immer so, dass die privat Begünstigten einer Landesbürgschaft mitbürgten. Das entspreche den „Bürgschaftsrichtlinien“ des Landes. Außerdem hätten sowohl die Landesbank als auch die politisch Verantwortlichen damals gewusst, dass bei den privaten Bürgen nichts zu holen sei.

Der Sprecher Sarrazins, Matthias Kolbeck, wies auf die Folgen einer Insolvenz hin. Sollte das Tempodrom Insolvenz anmelden müssen, müsse sich die Landesbank als Kreditgeber an die Privatbürgen wenden, um ihre Forderungen beglichen zu bekommen, nicht an das Land. Sollte es zu dem vom Senat angestrebten Verkauf des Tempodroms kommen, könnten sich alle Beteiligten – die Bank, die Gläubiger, die Investoren, die Bürgen – über die finanziellen Modalitäten einigen.