Salbungsvoller Salbaderer

Als Kind wollte er Pferd werden. Jetzt lebt Henning Scherf „Humor und Menschlichkeit“ im Amt des Bremer Regierungschefs aus. Kriegt endlich mal der Richtige der Orden wider den tierischen Ernst?

VON MARKUS JOX

Am vergangenen Donnerstag nahm Henning Scherf einen schönen Termin in seinem noch schöneren Rathaus wahr: Der Bremer Regierungschef taufte eine Orchideen-Züchtung. Und zwar eine Phalaenopsis-Hybride, die seit der Scherf’schen Bewässerung „Schöne von Bremen“ heißt. Schon daran sieht man: Der Mann ist sich für kaum etwas zu schade. Scherf ist längst zur Fleisch gewordenen großen Koalition in der Hansestadt mutiert und mehr moderierender Präsident als SPD-Parteipolitiker, mehr Majestät als Aktenstudierer.

An diesem Samstag erhält Bremens Bürgermeister vom Aachener Karnevalsverein (AKV) den gefürchteten „Orden wider den tierischen Ernst“ (TV-Ausstrahlung am Sonntag, 20.15 Uhr, ARD). Auch hier konnte Scherf nicht Nein sagen. Vorgänger-Ritter sind unter anderem krachhumorige Jecken wie Edmund Stoiber oder Guido Westerwelle.

„Fern von jeder Attitüde“ lebe Scherf „jeden Tag Humor und Menschlichkeit im Amt“, ließen die Karnevalisten ihrer PR-Prosa freien Lauf. Und zählten alle Klischees auf, die über „den Henning“ im Umlauf sind: Er fährt Fahrrad statt Dienstwagen, läuft ohne Bodyguard durch die Stadt, trinkt ausschließlich heißes Wasser.

In Anspielung auf Scherfs private Bremer „Wohngemeinschaft“, die realiter eine Hausgemeinschaft mit abgetrennten Wohnbereichen ist, steht die Festsitzung unter dem – in poetischer Eleganz dahingeworfenen – Motto: „Küche, Diele … Bad Aachen: Ist Scherf o. k. für die Ritter-WG?“ Der norddeutsche „Ritter Riesig“ mit seinen 2,04 Metern Körpergröße und dem wie eingemeißelt wirkenden Grinsen im Gesicht, eingezwängt in den Aachener Narrenkäfig – so was finden Rheinländer sicher lustig.

Der 65-jährige Großvater Scherf steht dem Bremer Senat seit 1995 vor. Obwohl er beständig sein Ausscheiden aus der Politik noch für die laufende Legislaturperiode ankündigt, schmeichelt es ihm doch, wenn er – wie unlängst vom Spiegel – für das Amt des Bundespräsidenten ins Gespräch gebracht wird oder – wie erst letzten Donnerstag – gar kurzzeitig als Nachfolger des geschassten Arbeitsagentur-Chefs Florian Gerster gehandelt wird.

Ob das gut geht? Der salbungsvoll salbadernde Protestant Scherf als scharfzüngiger Polemiker in der Karnevals-Bütt? Das lautstarke Laienschauspiel behagt Scherf nicht wirklich. Seine Stärke sind eigentlich eher der plaudernde Kammerton und die freie Rede, nicht Humtata nach Manuskript und gereimte Pseudo-Pointen. Liebend gerne begrüßt der Mann, der als Kind „Pferd werden“ wollte, jeden, der ihm über den Weg läuft, per Handschlag.

Mehr noch: Scherf streichelt Menschen gerne liebevoll über den Rücken, tätschelt ausdauernd, drängt Umarmungen auf. Doch wehe, jemand kritisiert ihn öffentlich – dann kann auch der nette Henning sehr böse und giftig werden.

Besonders gehässige Töne gegenüber seinen regierenden Genossen in Berlin und speziell gegenüber dem designierten Ex-Parteivorsitzenden Gerhard Schröder – mit dem Scherf unlängst eine Woche lang durch Afrika tourte – hat sich der Große aus dem kleinsten Bundesland bisher verkniffen. Es ist auch nicht zu erwarten, dass er in der Bütt damit anfängt: Das arme Bremen ist dringend auf weitere Sanierungs-Millionen aus Berlin angewiesen.