unterm strich:
Hier zur Abwechslung mal eine Geschichte mit Happy End und ohne jeden Bezug zum Irakkrieg. So weit man das jedenfalls sehen kann. Trotz des Kampfes gegen die US-Pharmaindustrie, den das im südlichen Afrika lebende indigene Volk der San gewann, indem es ihm erstmals gelang, sich gegen die Ausbeutung traditioneller Heilpflanzen zu wehren und von der Vermarktung eines Wirkstoffs zu profitieren, mit dem ihre Vorfahren seit Jahrtausenden Hunger und Durst bekämpfen.
Rohstoff des weltweit als Appetitzügler begehrten Wirkstoffs ist ein meterhoher Kaktus (Hoodia Gordonii), der in der Kalahariwüste wächst. Hier, im entlegenen südafrikanischen Andriesvale, besiegelten Vertreter der San, des ältesten indigenen Volkes im südlichen Afrika, einen zukunftweisenden Vertrag mit Südafrikas Forschungsbeirat für Wissenschaft und Industrie (CSIR), der sie mit, wenn auch bescheidenen, 8 Prozent an den Entwicklungs- und Vermarktungserlösen ihrer traditionellen Hungerbremse beteiligt. Jahrelang hatten sie für diesen Erfolg gekämpft.
Forschern des staatlichen CSIR war es 1996 gelungen, mit Hilfe heilkundiger San aus dem Hoodia-Kaktus den chemischen Wirkstoff zu gewinnen, der das Hungergefühl dämpft. Unter der Bezeichnung P 57 ließ der Beirat ihn patentieren und vergab ein Jahr später die Lizenz für die weitere Entwicklung und Vermarktung dem US-Pharmariesen Pfizer. Die Aussichten auf ein lukratives Geschäft mit dem Appetitzügler sind hervorragend, denn allein in den Vereinigten Staaten leben zwischen 35 Millionen und 65 Millionen krankhaft übergewichtiger Menschen.
Mit der Lizenzvergabe an den Pharmakonzern waren die San weg vom Fenster. Sie seien ausgestorben, erklärte ein Vertreter von Pfizer nonchalant, als er 2001 in Großbritannien die Wirkungsweise von P 57 beschrieb. Heftige Proteste der indigenen Gemeinschaft und ein internationaler Skandal waren die Folgen dieser Bemerkung.
Seit Jahren verlangen Vertreter indigener Völker aus aller Welt, dass ihr Urheberrecht an traditioneller Heilkunde im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) berücksichtigt wird. Südafrikas CSIR gehört neuerdings zu den nachdrücklichen Befürwortern dieser Forderung. Sobald der Appetitzügler auf dem Markt ist – dies soll 2008 der Fall sein –, erhalten die Ureinwohner 6 Prozent der Lizenzabgaben. Dieses Abkommen ist grenzübergreifend und damit ein Novum, denn dem indigenen Rat gehören die Buschleute an, die in Südafrika, Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe leben.
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