Eine Legende, der die Lorbeeren ausgehen

Der bekannte Kriegsreporter Peter Arnett stolpert über ein umstrittenes Interview im irakischen Staatsfernsehen

Eisen muss man schmieden, solange es heiß ist. Bei Peter Arnett (68) geht das nicht mehr, der Mann ist ein altes Eisen: Es gab in den vergangenen 40 Jahren wohl kaum einen Krisenherd, über den der gebürtige Neuseeländer nicht berichtet hätte. Libanon, El Salvador, Guatemala, Afghanistan, Vietnam – und eben der Irak, 1991, als Arnett für CNN sein bis dato größer scoop gelang: Vom Dach des Hotels Al-Raschid aus kommentierte er, was es an einschlagenden Bomben und Abwehrfeuer zu kommentieren gibt. Zwar war er keineswegs, wie penetrant kolportiert wird, der Einzige – Christoph Maria Froehder von der ARD war auch in der Stadt. Aber CNN hatte die Bilder, aus dem kleinen, randständigen Kabelkanal wurde ein großer, legendärer. Und Peter Arnett galt fürderhin als archetypischer TV-Kriegsreporter. „Unter Einsatz des Lebens“ heißt bezeichnenderweise seine Autobiografie.

Seine Laufbahn begann er 1962 bei der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), für die er nach Vietnam ging und dort aushielt, bis die US-Truppen 1975 Saigon aufgeben müssten. 1966 strich er für seine Berichterstattung den Pulitzerpreis ein. Eine Trophäe, die Türen öffnet. In den Achtzigern war er sowohl mit den Taliban als auch mit den Sowjettruppen am Hindukusch unterwegs. 1991 interviewte er Saddam Hussein, 1997 zusammen mit seinem Kollegen Peter Bergen sogar Ussama Bin Laden – für den sich die westliche Welt damals nur mäßig interessierte.

Trotz – oder gerade wegen – seiner Meriten geriet Arnett immer wieder mit seinen Arbeitgebern ins Gehege. 1999 präsentierte er eine Aufsehen erregende Enthüllungsgeschichte über Giftgaseinsätze der amerikanischen Armee in Laos – der Beitrag erwies sich als Ente, sein 18 Jahre alter Arbeitsvertrag mit dem Sender wurde gekündigt. Als CNN-Gründer und Arnett-Protegé Ted Turner noch Herr im eigenen Hause war, wäre das wohl nicht passiert: „Die Medien in den Vereinigten Staaten unterwerfen sich“, schimpfte er vor zwei Jahren bei einer Buchpräsentation in Berlin, „sie haben sich unglücklicherweise verkauft.“ Da war er allerdings schon bei MSNBC und NBC unter Vertrag, bei einem der mächtigsten Fernsehsender der Welt. Für NBC und die Zeitschrift National Geographic war er dann auch wieder in Bagdad unterwegs. Und berichtete „zwei Minuten früher“ von den ersten Luftangriffen als sein ehemaliger Arbeitgeber CNN – als wär’s ein sportlicher Wettbewerb.

Am vergangenen Sonntag aber gab Arnett dem irakischen Fernsehen ein Interview, in dem er seine Einschätzung der Lage kundtat und die Strategie der US-Militärs scharf kritisierte. NBC und National Geographic zogen am Montag die Konsequenzen und feuerten ihren sperrigen Korrespondenten: „Es war falsch von Mr. Arnett, dem staatlich kontrollierten irakischen Fernsehen ein Interview zu geben, besonders zu Kriegszeiten“, erklärte eine Sprecherin.

Doch einer wie Arnett fällt weich – und strickt eifrig weiter an der eigenen Legende: In seiner ersten Kolumne für die britische Tageszeitung Daily Mirror, die eindeutig Position gegen den Krieg bezogen hat, beschuldigte er die Regierung in Washington, jede „glaubwürdige“ Berichterstattung über den Feldzug im Irak hintertreiben zu wollen: „Meine erfolgreiche Karriere fiel über Nacht in Schutt und Asche, weil ich die Wahrheit gesagt habe.“ ARNO FRANK