Willkürliche Sittenpolizei im saudischen Alltag

Die USA haben ihren jährlichen umfassenden Menschenrechtsbericht für 2002 vorgelegt: Der Fall des Verbündeten Saudi-Arabien

BERLIN taz ■ Das Königreich Saudi-Arabien, ein enger Verbündeter der USA, ist wahrlich nicht für seine gute Menschenrechtsbilanz bekannt. Es gibt weder freie Wahlen noch eine freie Presse oder unabhängige politische Parteien, dafür willkürliche Festnahmen, Folter und Hinrichtungen sowie eine weitgehende Einschränkungen der Rechte der Frauen. Dies geht auch aus dem Menschenrechtsbericht 2002 der US-Regierung hervor, der jetzt veröffentlicht wurde.

Ein spezielles Problem des Landes ist, dass das Herrscherhaus einer besonders strengen Auslegung des sunnitischen Islam, dem Wahhabismus, folgt. Bis heute gilt der Koran und die Sunna (Tradition) des Propheten Mohammed nach dieser Auslegung als Verfassung des Staates – mit weitreichenden Folgen, beispielsweise im Bereich der Rechtsprechung. Eine konkrete Auswirkung im Alltag ist das so genannte „Komitee zur Verhinderung des Übels und zur Förderung der Tugend“, eine Art Sittenpolizei, die für ihr häufig willkürliches Vorgehen bekannt ist – auch wenn dies nach dem Gesetz untersagt ist.

Die Sittenpolizei soll Berichten zufolge junge Männer festgenommen haben, die mit jungen Frauen in Restaurants aßen, Frauen anmachten oder sich in den Familien vorbehaltenen Bereichen der Einkaufszentren aufgehalten hatten. Frauen können Probleme bekommen, wenn sie mit einem Mann im Auto fahren, der nicht ihr Angestellter, Ehemann oder Verwandter ist, wenn sie sich in Einkaufszentren ohne Kopfbedeckung zeigen oder auch nur auf der Straße auf ihren Chauffeur warten. Für solche „Vergehen“ kann man für Tage oder sogar Wochen hinter Gittern verschwinden, häufig ohne dass die Familien – oder im Fall von Ausländern ihre Botschaften – informiert würden. Als ein positives Zeichen bewertet der Bericht, dass die Regierung damit begonnen habe, Frauen Pässe auszustellen, was ihre Bewegungsfreiheit vergrößert.

Angesichts der inneren Verfasstheit des saudischen Staates wundert nicht, dass all jene, die nicht dem Wahhabismus folgten, Einschränkungen ausgesetzt sind. Betroffen sind Schiiten sowie nichtislamische Religionsgemeinschaften. Die Schikanen reichen von Bestimmungen, wer wen heiraten darf, bis zum Gebot, die Religionsausübung auf die privaten vier Wände zu beschränken. Letzteres ist freilich nicht in jedem Falle ein Schutz.

Das US-Außenministerium hatte bereits Anfang März einen Bericht über Staaten vorgelegt, die die Freiheit der Religionsausübung besonders stark unterdrücken. Sechs Staaten – Birma, China, Iran, Irak, Nordkorea und der Sudan – wurden als „besonders Besorgnis erregende Länder“ bezeichnet. Einige Verbündete der USA, darunter Saudi-Arabien, fielen nicht unter diese Kategorie. „Die Bush-Administration sagt, sie wolle Menschenrechte in islamischen Ländern fördern“, kommentierte damals Tom Malinowski von der unabhängigen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Aber sie kann schwerlich sagen, dass sie es versucht, wenn sie Angst hat, die schlichte Wahrheit über einige ihrer Partner zu sagen.“ BEATE SEEL