Suppengrün für Huhn

Ausstellung zum Kontrollapparat der DDR-Post im Museum für Kommunikation. Der Überwachungswahn traf Ost- wie Westdeutsche

„Vielen Dank für die Ostereier und die Handgranaten. Ich habe letztere im Garten vergraben.“

von JAN FREITAG

Mit dem Kürzel M verbindet man eigentlich einen britischen Agentenboss, der lizensierte Spione zur Weltrettung um den Globus jagt. Auch in der DDR agierte etwas namens M, wenn auch nicht für James Bond. Östlich der Elbe war M eine Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zur Überwachung realsozialistischer Staatsbürger. Ob Brief, Paket, Telegramm oder Telefonat – den Stasispitzeln entging fast nichts.

Wie akribisch und umfassend ins Leben der Ostdeutschen eingegriffen wurde, zeigt ab heute die Ausstellung „Ein offenes Geheimnis. Post- und Telefonkontrolle in der DDR“. Bis November gewährt die Wanderschau unter Mitwirkung der Gauck-Behörde im Museum für Kommunikation Einblicke in den Kontrollalltag jenseits der Mauer.

Dass sich die BürgerInnen der DDR auf die wachsamen Augen und Ohren ihrer Oberen verlassen konnten, zeigt die Bundesbeauftragte für Stasiunterlagen in Witzform. „Liebe Oma“, zitiert Marianne Birthler einen fiktiven Brief, „vielen Dank für die Ostereier und die Handgranaten. Ich habe letztere im Garten vergraben.“ Die Großmutter könne die Radieschensamen jetzt schicken, heißt es im nächsten Brief – „die Stasi hat den Garten umgegraben.“

Humor ist, wo trotzdem gelacht wird. Denn die Situation, beteuerte Organisatorin Lilo Nagengast bei der gestrigen Ausstellungseröffnung, „war für die Menschen im Osten schrecklich“. Alle seien überwacht worden, zumeist verdachtsunabhängig. Und nichts schien sich dafür besser zu eignen als die Post.

Zur Verdeutlichung wurde im Museum ein Postamt installiert. Wellblech, knallgelb, mit Bildschirmen, auf denen DDR-Filmchen á la „Sendung mit der Maus“ flimmern. Während draußen eine Zeichentrickschnecke in bunten Farben die Verlässlichkeit der Zustellung preist, tritt das Innere den Gegenbeweis an. In teils vergitterten Schaukästen liegen geheime Dienstanweisungen, technisches Gerät zur Öffnung von Postsendungen, Abhöranlagen, dokumentierte Einzelschicksale und immer wieder abgefangene Postkarten oder Briefe.

Ob von banalem Inhalt („Besorge Suppengrün für Huhn am Sonntag“) oder regimekritisch war der Stasi gleich – einbehalten, in geheimen Räumen ausgewertet und archiviert wurde potenziell alles, was auf den Postämtern landete. Darunter auch bergeweise Zustellungen aus dem Westen. Allein in Berlin, Haupstadt der DDR, registrierte das MfS 16.000 Personen mit Hamburger Postleitzahl. In Leipzig waren es noch mehr.

Jeder Ost-West-Kontakt fand seinen Weg in die Akten. Etwa 17.000 Seiten umfasst eine Ermittlungsakte, die sich 35 Jahre lang dem „Hilfswerk der Helfenden Hände Hamburg“ (HWHH) widmete. Von den 1,2 Millionen Fresspaketen, die der Verein ab 1951 an politische Häftlinge und deren Verwandte schickte, erreichte keines unkontrolliert sein Ziel.

Mit Schautafeln wie dieser soll nicht nur die totale Kontrolle verdeutlicht, sondern auch lokale Betroffenheit am Ausstellungsort erzeugt werden. Dass die Museumspädagogik dabei auf Interaktives wie Schubladen, Installationen, Gucklöcher und Telefone zum Gesprächsmitschnitt setzt, ist kaum noch der Erwähnung wert. Schließlich hat sich auch M – egal ob in England oder der DDR – größte Mühe mit der Technik gegeben.

Museum für Kommunikation, Gorch-Fock-Wall 1, Tel.: 3576360, Ausstellung vom 3.4. bis 2.11.03, Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 9-17 Uhr