Große Ruhe im Land

Verfassungsschutzbericht 2002 verzeichnet Rückgang bei extremistischen Aktivitäten – gegen Milli Görüs liegen keine neuen Erkenntnisse vor

taz ■ Bremen liegt im Trend. Wie in den übrigen Bundesländern hat der Verfassungsschutz im Zwei-Städte-Staat vergangenes Jahr weniger extremistische Aktivitäten beobachtet. Der Rückgang dieser Straftaten mit „erwiesenem oder vermutetem“ extremistischen Hintergrund liege bei rund 18 Prozent, so gestern Innensenator Kuno Böse (CDU) bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2002. Dieser löst den bisherigen Bremer „Extremismusbericht“ ab.

Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten im Land ist darin für 2002 mit 132 beziffert (2001: 183; 2000: 207), weit über die Hälfte davon (82) sind sogenannte Propagandadelikte: Hakenkreuzschmierereien oder das Tragen verbotener Abzeichen. Auch die beobachteten linksextremistischen Aktivitäten liegen mit rund 60 Taten vergleichsweise niedrig (2001:101; 2000: 51), ebenso die der politisch motivierten Ausländerkriminalität. Hier sind 20 Taten registriert (2001:33). Dazu betonte Böse: „Die überwiegende Mehrzahl der hier lebenden Ausländer hat mit politischem Extremismus nichts zu tun.“ Bei keinem der verzeichneten Vorfälle habe es sich um Gewalttaten gehandelt.

Überwiegend verzeichnet der Bericht als Straftaten Sachbeschädigungen oder Steine-Werfen bei Demonstrationen. Zwei Brandanschläge auf mehrere von MigrantInnen bewohnte Häuser in Bremen-Nord kommen darin gar nicht vor: Dafür, dass es sich dabei um ausländerfeindliche Delikte gehandelt habe, gebe es keine Hinweise. „Extremisten wollen ihre Ideen verkaufen“, sagte der Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, Walter Wilhelm. In 99,9 Prozent aller Fälle werde in Täterkreisen darüber gesprochen. Nach den Brandanschlägen habe es aber keine derartigen Hinweise oder Informationen gegeben.

Vor dem Hintergrund der Attentate auf das New Yorker World Trade Center im September 2001 und dem aktuellen Krieg im Irak warnte Böse gestern vor „Emotionalisierung“. Hinweise auf extremistische oder terroristische Aktivitäten gebe es in Bremen aber keine. Auch der Moschee des türkischen Bremers, den US-Kräfte nach seiner Gefangennahme als mutmaßlichen Talibankämpfer im kubanischen Guantánamo festhalten, widmet der Verfassungsschutzbericht nur ein paar Zeilen.

Grundsätzlich sei die Aufklärung im Bereich islamistischer Extremisten durch die Neu-Einstellung eines Islamwissenschaftlers verbessert worden, hieß es. Ob die nach dem 11. September beschlossene Aufstockung der über viele Jahre geschrumpften Behörde von 33 auf derzeit 45 MitarbeiterInnen beibehalten wird, werde sich aber erst bei den nächsten Haushaltsberatungen zeigen. Dabei ließ Böse keinen Zweifel daran, dass er das Landesamt für Verfassungsschutz als unabhängige Behörde weiter im Land Bremen behalten will. Vorschläge, einen regional – etwa für Norddeutschland – zuständigen Verfassungsschutz einzurichten, lehne er ab.

Wie jedes Jahr widmet der Verfassungsschutzbericht auch 2002 der als extremistisch und verfassungsfeindlich eingestuften islamischen Milli Görüs mehrere Seiten – dieses Mal fünf von 85. Dass die als extremistisch eingestufte islamistische Gruppierung mit insgesamt 800 Mitgliedern in nur noch sieben statt zuvor acht Moscheen im Land Bremen aktiv das Grundgesetz missachte, geht daraus jedoch nicht hervor. „Wir haben keine Erkenntnisse über aggressiv-kämpferisches Auftreten von Milli Görüs in Bremen“, räumte Böse auf Nachfrage gestern ein – um gleich darauf eine vielfach strapazierte öffentliche Äußerung zu wiederholen: Es liege im Wesen dieser Organisation, nach außen hin unauffällig aufzutreten. ede

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