„Bei mir wird viel gelacht“

Annemarie Jaeggi ist seit dem 1. April neue Museumsdirektorin im Bauhaus-Archiv. Angst vor dem Kulturabbau hat sie nicht, plant stattdessen große Projekte und einen Erweiterungsbau für das Haus

Interview ROLF LAUTENSCHLÄGER

taz: Frau Jaeggi, Museumsdirektorin in Berlin zu sein hört sich gut an, ist angesichts der finanziellen Lage für die Kultur in der Stadt aber ein schwieriger Job. Warum wollen Sie ihn dennoch machen?

Annemarie Jaeggi: Obwohl es immer eine Wunschvorstellung von mir war, hierher zu kommen, war es keine leichte Entscheidung – aber die richtige. Ich habe in Karlsruhe an der Universität unterrichtet, mir aber quasi als Spielbein geleistet, nebenbei Ausstellungen zu kuratieren – auch hier am Bauhaus-Archiv. Zudem war ich in der Forschung immer in der Zeit des Bauhauses, seiner Umgebung und in der Zeit der Weimarer Republik verankert. Natürlich bin ich nicht begeistert über die wirtschaftliche und finanzielle Situation für Kulturinstitutionen in Berlin. Aber muss man es gerade darum nicht mit Optimimus anpacken?

Aber der Stadt eilt doch der Ruf voraus: „Zuletzt Kultur!“ Was war der „Kick“, es trotzdem zu versuchen?

Es ist nicht einfach, in dieser Zeit ein Museum zu übernehmen. Aber man hat mir sozusagen als „Begrüßungsgeschenk“ den Erweiterungsbau für das Bauhaus-Archiv versprochen. Es gibt also eine Perspektive für das Haus. Zugleich ist es für mich eine Herausforderung, das, was bisher Spielbein war, zum Standbein zu machen und umgekehrt.

Ihr Vorgänger Peter Hahn war 32 Jahre am Bauhaus-Archiv und hat sich in den Ausstellungen und Sammlungen auf die Bauhauskünstler, die Geschichte und Rezeption des Bauhauses konzentriert. Was bleibt noch? Auf welche Schwerpunkte setzten Sie künftig?

Der erste Schwerpunkt muss das Bauhaus und seine Zeit in Weimar, Dessau und Berlin sein. Das ist unser Erbe und Sammlungsschwerpunkt. Dafür ist das Haus auch gegründet worden. Ans Ende angekommen sind wir damit noch lange nicht, es gibt viel zu entdecken, neue Themen zu behandeln und auch alte Themen neu zu hinterfragen.

Bleibt das Museum damit nicht zu sehr Spartenmuseum?

Nein. Es war und ist unser Interesse, das Haus für zeitgenössische Aspekte zu öffen. Der Untertitel des Bauhaus-Archivs lautet ja auch: „Museum für Gestaltung“. Und so verstehe ich meine Aufgabe hier – nämlich zuständig zu sein für die Gestaltung im 20. Jahrhundert und für das, was jetzt, etwa im Design, passiert.

Welche Projekte und Ausstellungen wollen Sie machen?

Von mir selbst wird ab 2004 eine Ausstellung über Egon Eiermann (Erbauer der Gedächtniskirche, Anm. d. Red.) zu sehen sein, der im September 2004 100 Jahre alt geworden wäre. Eiermann hat zwar in Karlsruhe unterrichtet, sein Fundament liegt aber im Berlin der 30er- und 40er-Jahre. Darüber hinaus möchte ich mich an die Nachlässe, die hier im Haus lagern und nicht aufgearbeitet sind, herantasten; etwa den von Lothar Schreyer, ein Lehrer aus der Zeit des Bauhauses in Weimar, oder jene von Menschen, die das Bauhaus mäzenatisch unterstützt haben.

Wie groß sind Ihre Ambitionen, die „Bauhäuslerinnen“ selbst oder die Frauen von Bauhäuslern ins Blickfeld zu rücken?“

Das finde ich sehr wichtig. Im Bereich Gender Studies läuft da schon einiges. Ein großer Prozentsatz von Studierenden am Bauhaus waren Frauen. Zudem waren Frauen in der Lehrerriege, etwa Marieanne Brandt oder Lili Reich, tätig. Schließlich gehe ich ein interessantes Projekt an: Es gibt hier im Haus einen Briefwechsel von Alma Mahler mit Walter Gropius. Alma Mahler war die erste Frau des Bauhausgründers. Rund 900 Briefe, in erster Linie Liebesbriefe, lagern hier, die ich mit einem Musikwissenschaftler transkribieren und zum Teil dann veröffentlichen will. Außerdem denke ich an eine Ausstellung über Alma Mahler. Sie ist eine der schillerndsten Frauenfiguren zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts und sie eignet sich – wegen ihrer Ehen mit Gustav Mahler, Gropius und Franz Werfel –, einen Mikrokosmos der Kulturen jener Zeit aufschlagen zu können.

Sind das Pläne, die das Haus finanzieren kann?

Das ist hoffnungsfroh in die Zukunft gedacht. Wie sich das umsetzen lässt, muss ich sehen.

Mit dem Bauhaus verbinden sich traditionell die Namen der großen Architekten der 20er-Jahre und Visionen zur Architektur. Zum heutigen Berlin, wo viel gebaut wird und es einen Architekturstreit gegeben hat, hat man aus dem Bauhaus-Archiv vergleichsweise wenig gehört. Wird sich das ändern?

Es haben Ausstellungen, die sich mit der unmittelbaren Thematik beschäftigten, stattgefunden. Der Bauwettbewerb zum Potsdamer Platz ist hier präsentiert worden.

Das ist doch fast 10 Jahre her.

Das Bauhaus-Archiv ist aktiv an den Bestrebungen beteiligt, etwa die Bauakademie wieder aufzubauen. Wir sind nicht nur in der Vergangenheit verankert.

Bleiben wir bei der Gegenwart. Das Land will sich für einen Erweiterungsbau stark machen. Wie weit ist die Planung dafür?

Es hat eine Machbarkeitsstudie gegeben. Das Ergebnis ist, dass das Restgrundstück an der Klingelhöferstraße bebaut werden könnte. Das Grundstück ist jetzt vom Senat für einen Erweiterungbau freigegeben worden und das Land will Investoren als Bieter dafür suchen. Eine Fläche von 1.850 Quadratmetern soll im Erdgeschoss für das Museum reserviert werden.

Über den Museumsflächen sind Büros vorgesehen. Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass angesichts des Büroleerstands in Berlin sich ein Investor findet?

Warum soll das Joint-Venture nicht klappen und ein Investor nicht vom Standort eines international attraktiven Museum profitieren wollen? Ich bin da optimistischer als Sie.

Von sieben Landesmuseen werden mit Ihnen nun fünf von Frauen geleitet. Bedeutet das eine Herausforderung für Sie?

Es ist gut, dass nach dem wissenschaftlichen Bereich nun auch in der Männerdomäne Museumsleitung die Frauen ihren gleichberechtigten Anteil haben. Das muss weiter so gehen.

Sie haben am 1. April Ihre Direktorinnenstelle angetreten. Wurden Sie schon von den Mitarbeitern in den April geschickt?

Nein.

Heißt das: Bei Jaeggi gibt’s nichts zu lachen?

Mit Sicherheit nicht. Bei mir wird viel gelacht.