An der Konjunkturspritze

Der Senat betreibe eine unsolide Haushaltspolitik, kritisiert die Opposition – und plädiert fürs Geldausgeben: Wegen der Wirtschaftskrise sei ein Konjunkturprogramm notwendig

Am heutigen Dienstag will Finanzsenator Michael Freytag (CDU) die neue Konzernbilanz für Hamburg vorstellen. Ähnlich wie bei einem Unternehmen werden dabei Vermögenswerte der Stadt – etwa Schulgebäude, Straßen oder Wasserleitungen – den Schulden gegenüber gestellt. In der Eröffnungsbilanz vor zwei Jahren überstieg das städtische Vermögen die Schulden noch um vier Milliarden Euro.  KNÖ

VON GERNOT KNÖDLER

Die Vertreter der Opposition in der Bürgerschaft haben gut aufgepasst, als im Geschichtsunterricht die Weltwirtschaftskrise erklärt wurde. Anfang der 30er Jahre strangulierte die Reichsregierung unter Kanzler Heinrich Brüning die Wirtschaft vollends, indem Brüning in der Krise die Staatsausgaben verringerte. Die Linke und die SPD, aber auch der Senat, wollen diesen Fehler nicht wiederholen. Sie plädieren für ein Konjunkturprogramm oder diskutieren es zumindest. Dass sich der Staat damit noch fataler verschuldet als bisher und keiner weiß, wie künftige Generationen diese Hypothek abtragen sollen, nehmen sie in Kauf.

Bereits einig ist sich die Fraktion der Linken. „Wir haben jetzt eine Wirtschaftskrise vom Kaliber 1929 folgende“, sagt der Abgeordnete Joachim Bischoff. Nur wer die Situation nicht so kritisch einschätze, könne jetzt auf einen ausgeglichenen Haushalt pochen. Hamburg mit seinem im Vergleich mit anderen Bundesländern soliden Haushalt sei in der Lage, ein „vernünftiges Konjunkturprogramm“ aufzulegen. „Wenn irgendein Bundesland klotzen könnte, gilt das für Hamburg“, sagt Bischoff.

Die Linke schlägt vor, verstärkt in Schulgebäude und den Klimaschutz zu investieren. In einem „Landesprogramm Arbeit“ möchte sie die 10.000 Ein-Euro-Jobs in Hamburg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umwandeln. Mit einem „Landesprogramm Armut“ sollen die Vorschulgebühren und das Büchergeld abgeschafft und ein kostenloses Mittagessen an Schulen angeboten werden. Aus Sicht der Linken ist es am sinnvollsten, den Armen Geld zu geben, um den Konsum anzukurbeln und die Wirtschaft in Schwung zu bringen.

Um die Ausgaben nicht ins Uferlose steigen zu lassen, schlägt die Linke vor, der Senat solle seine „Pyramidenprojekte“ auf Eis legen: die Elbphilharmonie, die U-Bahnlinie 4 in die Hafencity und die geplante Trabrennbahn. Zugleich müssten die Einnahmen erhöht werden. Die Linke hat verlangt, mehr Steuerprüfer einzustellen und sie will dem Senat vorschlagen, im Bundesrat aktiv zu werden. „Wir werden eine Bundesratsinitiative zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer beantragen“, sagt Fraktionschefin Dora Heyenn.

Auch SPD-Fraktionschef Michael Neumann hat ein Konjunkturprogramm vorgeschlagen, das seine Fraktion am Montagabend diskutieren wollte. Dazu gehören wiederum Investitionen in den Klimaschutz bei Wohnungen, ein Masterplan Wohnungsbau und die Gründung einer Investitionsbank, die kleine und mittlere Unternehmen mit Kapital versorgen soll. Die Stadt und ihre Unternehmen sollten nur Aufträge an Firmen vergeben, die Mindestlöhne bezahlen.

„Es geht darum, dass der Senat bei bereits geplanten Ausgaben darauf achtet, dass Hamburger Unternehmen davon profitieren“, sagt Fraktionssprecher Christoph Holstein. Das könne erreicht werden, indem kleine Aufträge vergeben würden, die nicht europaweit ausgeschrieben werden müssten.

Ähnliches plant der Senat. „Die Mitglieder des Senats haben sich darüber verständigt, dass geprüft werden soll, welche ohnehin geplanten Investitionen vorgezogen werden können“, sagt Senatssprecher Christof Otto. Damit solle vor allem die regionale Konjunktur angekurbelt werden. Insbesondere die Bereiche Bildung und Infrastruktur kämen in Frage. Spätestens im Januar wolle der Senat dazu eine Entscheidung treffen.

Unabhängig davon, was sie dem Haushalt zumuten wollen, kritisieren SPD und Linke, der Senat rede die Finanzlage der Stadt schön. Finanzsenator Michael Freytag decke sein Defizit damit, „dass er Rücklagen plündert, Grund und Boden verkauft und Vermögen verscherbelt“, schimpft SPD-Bürgerschaftsabgeordneter Peter Tschentscher. 2009 werde Hamburg erst richtig in raue See geraten, prophezeit Bischoff. Dann nämlich werde die Stadt 237 Millionen Euro weniger einnehmen.