Brechmitteltoter wohl doch ertrunken

Im Bremer Brechmittel-Prozess weisen zwei neue Gutachter die These von einem alten Herzfehler als Todesursache zurück. Die Mehrheit der Sachverständigen glaubt an „stilles Ertrinken“. Am Montag soll das Urteil verkündet werden

Es waren so viele Gutachter in den Saal gekommen, dass die Nebenklage und ihre Anwältin hinten bei den Zuschauern Platz nehmen musste: Sieben Sachverständige hatte das Landgericht Bremen zum Ende der Beweisaufnahme um den Brechmitteltod des Sierra-Leoners Laya Condé geladen.

Der Leiter der kardiologischen Abteilung des Bremer Klinikums „Links der Weser“, Rainer Hambrecht und der Chef-Pneumologe des Diakoniekrankenhauses Rotenburg, Tom Schaberg, sollten die Frage abschließend klären, woran der in Polizeigewahrsam zu Tode gekommene Condé ursächlich starb.

Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage gegen den Polizeiarzt Igor V. auf die Diagnose der ersten beiden Sachverständigen. Diese hatten bereits 2006 die Auffassung vertreten, Condé sei ertrunken, weil Wasser, dass ihm der Polizeiarzt V. zusammen mit dem Brechsirup Ipecacuanha per Nasensonde eingeflößt hatte, in seine Lunge gelaufen war.

Im Spätsommer dieses Jahres hatten sich drei weitere Sachverständige um den Berliner Kardiologen Rudolf Meyer mit der neuen These von dem „toxischen Herzmuskelschaden“ in den Prozess eingebracht. Meyer hatte bei der Untersuchung von Condés Leiche festgestellt, dass dessen Herzwand krankhaft verdickt war. Dies sollte „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ ursächlich für das bei Condé festgestellte Lungenödem verantwortlich sein – und nicht etwa das durch den Brechmitteleinsatz in die Lunge gelaufene Wasser. Diese These wurde vor Gericht von dem ehemaligem Direktor der Rechtsmedizin der Berliner Charité, Volkmar Schneider, und dem Berliner Radiologen Karl-Jürgen Wolff gestützt.

Hambrecht und Schaberg wiesen die Theorie vom Herzfehler als primärer Todesursache am Montag zurück und bestätigten somit die beiden Mediziner, die sich zuerst mit dem Fall befasst hatten. Auch sie sahen „stilles Ertrinken“ als wahrscheinlichste Ursache für den Tod Condés. „Hier liegt kein kardial bedingtes Lungenödem vor“, sagte der Pneumologe Scharberg. Das Röntgenbild von Condés Lunge weise „lehrbuchhaft-typisch“ die Charakteristika von Ertrunkenen auf. Dem angeklagten Polizeiarzt V. droht nun eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, denn wenn man so will, steht es damit drei zu vier im Gutachterstreit.

Nach sieben Monaten soll der Prozess nächste Woche zu Ende gehen: Donnerstag und Freitag werden die Plädoyers gehalten, für Montag ist die Urteilsverkündung geplant. CHRISTIAN JAKOB