Belgien gibt nach

Parlament entschärft umstrittenes Völkermordgesetz. Grüne und Sozialisten stimmen gegen Änderung

BRÜSSEL dpa ■ Unmittelbar vor dem Besuch von US-Außenminister Colin Powell in Brüssel hat das belgische Parlament das weltweit einzigartige Völkermordgesetz entschärft. Das Gesetz von 1993 erlaubte es Klägern, belgische Gerichte wegen Verletzungen des Völkerrechts in allen Teilen der Welt anzurufen. Unter anderem lagen Klagen gegen den ehemaligen US-Präsidenten George Bush senior und gegen Powell wegen deren Rolle im Golfkrieg von 1991 vor.

Die vom Parlament beschlossene Entschärfung des Gesetzes kam nur mit Stimmen der Opposition aus Christdemokraten und rechtsextremem Vlaams Blok zustande. Grüne und Sozialisten stimmten gegen die Änderung, weil sie die umstrittene Verfolgung von Israels Ministerpräsidenten Ariel Scharon beendet.

Das Gesetz hatte der belgischen Regierung wiederholt diplomatische Schwierigkeiten beschert. Vor allem die Klage gegen Scharon wegen seiner Verantwortung als damaliger Verteidigungsminister bei den Massakern in zwei libanesischen Flüchtlingslagern 1982 hatte wiederholt zu Missstimmungen im Verhältnis zu Israel gesorgt. Noch im Februar reagierte Israel entrüstet auf ein belgisches Gerichtsurteil, das eine Anklage Scharons nach dessen Amtszeit als Ministerpräsident erlaubte.

Zahlreiche Kläger hatten die belgische Justiz mehrfach gegen Staatsmänner und Machthaber angerufen. Auf der Liste stehen neben Bush senior und Powell auch Saddam Hussein, Fidel Castro, Jassir Arafat, Chiles Exdiktator Pinochet, der Kongolese Laurent Kabila und Ruandas Präsident Paul Kagame. Im Jahr 2001 hatte ein belgisches Gericht erstmals vier Angeklagte wegen ihrer Teilnahme am Völkermord in Ruanda 1994 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.