Bergisch Gladbach hofft auf Kaufrausch

Mit zwei neuen Einkaufszentren möchte die Bergisch Gladbacher CDU die Innenstadt attraktiver machen. Doch der Investor lässt ein vorgesehenes Grundstück seit Jahren brach liegen – und hat die Kontrolle über das Konkurrenz-Projekt übernommen

Von Sebastian Sedlmayr

Bergisch Gladbach, das ist zunächst eine zugige S-Bahn-Station. Wer hier in dem Kölner Vorort ankommt, läuft möglichst schnell an einem ungeheuer hässlichen Busbahnhof mit integriertem Parkhaus und an einer seltsamen Brachfläche vorbei in die Fußgängerzone. Und auch die ist trostlos. Zum Einkaufen jedenfalls lädt die Einkaufsmeile nicht ein. Die Gladbacher tragen denn auch lieber ihr Geld ins nahegelegene Köln: 88,8 Millionen Euro pro Jahr. Das wird sich allerdings bald ändern. Neue Einkaufszentren werden die bergische Tristesse in eine blühende Landschaft verwandeln. Das hoffen jedenfalls die in Gladbach regierenden Christdemokraten. Die restlichen der 109.000 Einwohner staunen unterdessen über eine Provinzposse.

Gegen „Kaufkraftabfluss“

Denn nach dem Willen der örtlichen CDU soll der Gladbacher „Kaufkraftabfluss“ mit gleich zwei großen Einkaufszentren mit zusammen 21.000 Quadratmeter Verkaufsfläche gestoppt werden. „Gladium“ heißt das eine, „City Arkaden“ das andere. Das Gladium soll auf besagter Brachfläche entstehen, die Arkaden im derzeit etwas schmuddeligen Abschnitt der Fußgängerzone „Untere Hauptstraße“. In der Gladbacher Innenstadt gäbe es dann 53.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche – etwa soviel wie elf Fußballfelder.

Abgesehen von dem Einwand einiger Kritiker aus den Reihen der Opposition, mit zwei tagsüber geöffneten Einkaufszentren sei die Attraktivität einer Innenstadt nicht zu retten, hat die Sache noch einen ganz anderen Haken: Obwohl die CDU im Stadtrat die absolute Mehrheit hält, obwohl Bergisch Gladbach mit Maria Theresia Opladen eine CDU-Oberbürgermeisterin hat, haben die Christdemokraten die Kontrolle über die Entwicklung der Innenstadt verloren – an den Bauunternehmer Michael Hahn.

Begonnen hat das Provinz-Drama zur jecken Jahreszeit anno 1999. Beim traditionellen Aschermittwoch-Fischessen des wichtigsten örtlichen Karnevalsvereins „Große Gladbacher“, so ein nie widerlegtes Gerücht, sollen sich die Konservativen ihren „Wunsch-Investor“ ausgesucht haben: Mit Michael Hahn sollte in Gladbach endlich alles gut werden. Der Mann hatte als Bauunternehmer mit guten Referenzen und ausreichend Investitionskapital für ein Filetstück in der Bergisch Gladbacher Innenstadt offenbar einen hervorragenden Eindruck gemacht. In der folgenden Karnevalssession wurde Hahn der „Bauer“ im Dreigestirn und seine Tochter „Jungfrau“.

Weil das von vielen Gladbachern als „Schandfleck“ empfundene Areal am S-Bahnhof damals schon zehn Jahre unbebaut vor sich hin gemodert hatte, muss die bierlaunige Freude über einen willigen Bauherrn grenzenlos gewesen sein. Wenig später verkaufte Oberbürgermeisterin Opladen das besagte Grundstück per Dringlichkeitsbeschluss am Rat vorbei an Hahn und legte damit die Zukunft des Areals ganz in dessen starke Hände. Vereinbart wurde zunächst der Bau eines Kino-Komplexes. Anderthalb Jahre später gab es sogar ein Richtfest. Doch der Boden in Gladbach ist tückisch und brachte auch Investor Hahn ins Rutschen: Wegen unvorhergesehener geologischer Schwierigkeiten ließ er das Bauvorhaben ins Wasser fallen. Seither wachsen wieder Grashalme aus dem widerspenstigen Erdreich. Inzwischen ist aus dem Kino-Projekt ein Kaufhaus-Projekt geworden. Der Stadtrat soll im März einen entsprechenden Bebauungsplan absegnen.

„Hahn-City“

Obwohl Hahn sein Kino nicht baute, hatte sich seit dem Vertragsschluss die Besitzverteilung grundlegend geändert. Wie sich bei der späteren Revision des Vertrags herausstellte, fehlt der Stadt jegliche Handhabe gegen Hahn. Sie kann ihn nicht zum Bauen zwingen, keinen Schadenersatz fordern, das Grundstück nicht ohne weiteres zurück in die öffentliche Hand holen. Ihr bleibt kaum anderes übrig, als sich mit Hahn gut zu stellen und zu hoffen, dass er aus eigenem Interesse irgendein Bauvorhaben an der Stationsstraße realisieren wird. Nach Informationen der taz war Hahns Schachzug nicht nur rechtens sondern auch billig. Ein Rückkauf würde die Stadt heute – nach nur fünf Jahren – etwa das doppelte der 1999 eingenommenen einstelligen Millionensumme kosten.

Erst wenn Hahn tatsächlich baut, steht der Stadt eine Restzahlung in Höhe von einigen Millionen Euro zu. Da bleibt der katholischen CDU im laufenden Kommunalwahlkampf wohl nur das Gebet. Wenn die Oberbürgermeisterin ganz viel Glück hat, lässt Hahn noch in diesem Jahr die Bagger anrollen, um das Gladium 110 Meter hoch aus dem Boden zu stampfen.

Und offenbar hat der Investor nach langen Jahren geduldigen Nichtstuns nun wirklich etwas vor in Bergisch Gladbach. Mitte Januar kaufte er überraschend ein Grundstück in der Unteren Hauptstraße, just da also, wo das zweite Einkaufszentrum entstehen soll. „Hahn-City“ schimpften daraufhin die Grünen, in der örtlichen Presse war von „Monopoly“ zu lesen. Die Projektentwickler der konkurrierenden „City Arkaden“ sind betrübt. Hahn kann ihnen nun die Bedingungen diktieren.

In der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses Ende Januar schlugen die Wellen wieder einmal hoch. Die Grünen stellten einen Antrag auf Aussetzung des Gladium-Planungsverfahrens. „Die Notbremse in der unendlichen Leidensgeschichte“ wollten sie ziehen, so die Fraktionsvorsitzende Magda Ryborsch. Die Grünen wollten außerdem wissen, welcher Einzelhandel sich denn im Gladium einzumieten gedenke.

Kino oder Kaufhaus

Die SPD stellte nebenbei fest, dass der Kaufvertrag mit Hahn noch immer den Bau eines Kino vorsehe. Der Antrag der Grünen wurde erwartungsgemäß von CDU und FDP abgelehnt. Auf die Frage nach dem Kino-Vertrag und nach den potenziellen Mietern konnte die Verwaltung keine befriedigende Antwort geben. „Ich halte es mit der Wahrheit genauso wie die meisten Menschen, die ich kenne“, gab der Technische Beigeordnete Stephan Schmickler vielsagend zu Protokoll.