Ein neues Mekka

Oberstdorf rüstet nicht nur für die nordische Ski-WM 2005 auf, sondern will sich dauerhaft als deutscher Veranstalter Nummer eins etablieren

AUS OBERSTDORFKATHRIN ZEILMANN

Die Männer und Frauen in den leuchtend blauen Winterjacken sind kaum zu übersehen. Sie weisen Parkplätze zu, kontrollieren Eintrittskarten, verkaufen Würstchen und Tee oder stehen ernst neben der Skiflugschanze und sprechen in ihre Funkgeräte. 1.500 Helfer werden zur Durchführung der nordischen Ski-Weltmeisterschaften 2005 in Oberstdorf gebraucht, etliche davon probten beim Skiflug-Weltcup am Wochenende, was in etwa einem Jahr zu tun ist, wenn Skispringer, Langläufer und nordische Kombinierer um Medaillen kämpfen. Auch Feuerwehr und Polizei testeten für den Ernstfall WM – und sogar die Lokalzeitung.

Die Pläne der umtriebigen Oberstdorfer in Sachen Wintersport gehen freilich schon weiter als bis zur WM. Wenn Sportler und Fans wieder abgezogen sind, soll an den Sportstätten keinesfalls Ruhe einkehren. Klar, man veranstaltet jedes Jahr das Eröffnungsspringen der Vierschanzentournee, aber das reicht nicht. „Wir wollen das Mekka des nordischen Skisports in Deutschland werden“, verkündet Bürgermeister Thomas Müller. 23 Millionen Euro sind alleine schon bis jetzt investiert worden, um die Schattenbergschanze zu modernisieren und um Loipen mit anspruchsvollen Steigungen und Abfahrten anzulegen. Auf 8,5 Millionen Euro wird das WM-Budget beziffert. Danach hofft man auch einige Weltcups der Langläufer und Kombinierer austragen zu können. Die erfolgreichen Stars der Branche wie Ronny Ackermann oder Evi Sachenbacher sorgen für reges Zuschauerinteresse, ausgabefreudige Sponsoren und Einnahmen aus der TV-Übertragung. Man hört in Oberstdorf deshalb schon die Kasse klingeln.

Anderswo reagiert man hingegen gar nicht so freudig auf die Pläne der ehrgeizigen Allgäuer. Beispiel Reit im Winkl, wo alljährlich in den ersten Januartagen die Kombinierer zu einem Weltcup antreten. Doch in diesem Jahr gab es mehr Ärger denn Freude. Die 90-Meter-Schanze ist, zugegeben, nicht sehr modern, weil die größeren Anlagen für viele Sportler attraktiver sind. Und als Ronny Ackermann auf der Reiter Schanze alles andere als glänzend zurechtkam, machte er seinem Unmut Luft: „Die Zukunft sind die großen Schanzen, der Weltverband muss reagieren. Aus meiner Sicht gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Schanzen müssen umgebaut werden, oder es werden neue Ausrichter gefunden.“ Das saß.

Hans-Peter Wimmer, der Vorsitzende des Wintersportvereins Reit im Winkl, ist immer noch verärgert über diese Aussage: „Die Deutschen kamen eben nicht so gut zurecht mit der Schanze, weil sie zu einseitig trainiert haben. Aber die K 90-Schanzen sollten im Programm bleiben, sonst ist doch alles Einheitsbrei.“ Und er fügt an: „Mit solchen Aussagen werden die kleineren Veranstalter systematisch kaputtgemacht.“ Große Möglichkeiten zur Vergrößerung der Schanze sieht er nicht: „Da fehlt uns das Geld. Schon unser Langlaufstadion haben wir in Eigenregie gebaut.“

Beschwichtigungen kamen prompt vom Deutschen Skiverband (DSV): Reit im Winkl und auch Schonach, wo es ebenfalls nur eine kleine Schanze gibt, hätten die Kombinations-Weltcups weiterhin sicher, betonte Generalsekretär Pfüller. Denn der Verband weiß: Gerade kleinere Vereine wie der in Reit im Winkl sorgen für den nötigen Nachwuchs in den Wintersportdisziplinen. Zudem veranstalten sie zahlreiche Schüler- und Jugendwettbewerbe, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden und finanziell keinerlei Gewinn abwerfen.

Angesichts der Ankündigungen aus Oberstdorf hofft Wimmer, dass auch dort nach der WM-Euphorie die Realität einkehrt: Die Oberstdorfer hätten dank der finanziellen Möglichkeiten durch die WM momentan gut reden. „Die haben 15 Leute hauptamtlich beschäftigt, da haben die zurzeit schon Potential. Aber was ist nach der WM? Ich bin in Reit im Winkl der Einzige, der fest angestellt ist.“ Für 2005 hat man immerhin wieder die Zusage für die Kombination – und auch einen Langlauf-Weltcup wird es im Heimatort von Team-Olympiasiegerin Sachenbacher geben. Derweil tönt in Oberstdorf aus den Lautsprechern an der Skiflugschanze ein Lied. Sein Titel: „Fly so high in Oberstdorf“.