Niederlage für iranische Reformer

Präsident Chatami gibt nach und stimmt den umstrittenen Parlamentswahlen am 20. Februar zu. Den protestierenden Abgeordneten droht damit ein Prozess. Der Versuch, die Islamische Republik von oben zu reformieren, scheint gescheitert

VON BAHMAN NIRUMAND

Die Auseinandersetzungen im Vorfeld der Parlamentswahlen im Iran sind mit einer herben Niederlage der Reformer vorläufig beigelegt worden. Staatspräsident Mohammad Chatami und Parlamentspräsident Mehdi Karrudi teilten in einem gemeinsamen Schreiben an Revolutionsführer Ali Chamenei mit, dass sie seiner Anordnung folgen und die Wahlen, wie vorgesehen, am 20. Februar abhalten werden. Alle Versuche, den Streit friedlich beizulegen und den Wächterrat zu einem für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu bewegen, seien gescheitert, heißt es in dem Schreiben. Der Wächterrat habe sich sogar geweigert, den Anweisungen des Revolutionsführers zu folgen und die unbegründeten Ablehnungen zurückzunehmen. Dennoch „werden das Innenministerium und die Mitarbeiter der Regierung Ihrem Befehl entsprechend die Wahlen zum festgesetzten Termin durchführen“.

Die Krise wurde mit der Ablehnung von mehr als 3.000 Bewerbern, darunter 83 amtierenden Parlamentariern, durch den von Konservativen beherrschten Wächterrat ausgelöst. Dies zog massive Proteste nach sich: Reformorientierte Abgeordnete traten in einen unbefristeten Streik, 125 legten ihr Mandat nieder, die wichtigsten Parteien der Reformbewegung forderten eine Verschiebung des Wahltermins. Daraufhin nahm zwar der Wächterrat rund tausend Ablehnungen zurück, ausgeschlossen blieben jedoch die profiliertesten Vertreter der Reformbewegung.

In dieser verfahrenen Situation kam Präsident Chatami eine Schlüsselrolle zu. Obwohl seine Kabinettsmitglieder einstimmig beschlossen, die Wahlen zu vertagen, schwankte der Präsident bis zum Schluss. Seine unermüdlichen Versuche, die Konservativen zum Einlenken zu bewegen, scheiterten an der harten Haltung der Rechten. Und wie so oft in seiner Amtszeit gab Chatami schließlich nach und ließ damit die protestierenden Abgeordneten sowie die Mitglieder der eigenen Regierung im Regen stehen.

Es war vermutlich die letzte Chance für Chatami, Millionen seiner enttäuschten Wähler zurückzugewinnen. Aus seinem engsten Umkreis wurde die Entscheidung damit begründet, dass er die Durchführung der Wahlen nicht Militär und Revolutionswächtern überlassen wollte. Kritiker meinen hingegen, dies habe abermals bestätigt, dass es dem Reformpräsidenten in erster Linie um den Erhalt des Gottesstaates gehe und er dafür bereit sei, sogar das Ende der Reformen in Kauf zu nehmen.

Die Abgeordneten, die ihren Streik am Samstag beendeten, befinden sich in einer äußerst misslichen Lage. Chatami hat sie fallen gelassen und von der Bevölkerung haben sie nicht die Unterstützung bekommen, auf die sie gehofft hatten. Wenn nichts Außergewöhnliches geschieht, werden sie, wie bereits angedroht, nach den Wahlen wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit und Unruhestiftung, möglicherweise auch wegen Landesverrat angeklagt werden.

Wie es aussieht, werden die Rechten, gleichgültig wie niedrig die Wahlbeteiligung sein wird, ihren geplanten Durchmarsch fortsetzen und das Parlament und anschließend das Präsidentenamt zurückerobern. Gerüchte besagen, dass Chatami nach den Wahlen sein Amt niederlegen wird. Damit ist der Versuch, den islamischen Staat von oben zu reformieren, endgültig zu Ende.

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