ZWANGSARBEITER-ENTSCHÄDIGUNG: FÜR DIE ALTEN RAST DIE ZEIT
: Das Geld kommt zu spät oder nie

Nur zur Erinnerung: Es ist bald drei Jahre her, dass per Gesetz die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ eingesetzt wurde. Sie sorgt zusammen mit Organisationen im Ausland für die Auszahlung der staatlichen und privatwirtschaftlichen Gelder, mit denen die NS-Zwangsarbeiter entschädigt werden. Doch noch immer ist in einigen Ländern nicht einmal die erste Rate vollständig ausgezahlt worden. Das heißt: Es ist möglich, dass manche Zwangs- und Sklavenarbeiter noch immer keinen Cent gesehen haben.

Natürlich, auch das Geldverteilen ist keine leichte Aufgabe. Oft fehlen Nachweise, zur Zwangsarbeit verpflichtet worden zu sein. Selbst von den Färöer-Inseln und Ost-Timor meldeten sich Berechtigte oder wurden ausfindig gemacht. Es gibt die Erben, deren Anrechte oft noch schwieriger zu überprüfen sind. Und eine strenge Kontrolle ist schon nötig. Schließlich ist die Summe begrenzt und soll nur den Opfern und nicht den Tricksern zugute kommen. Dennoch stimmt es ärgerlich und traurig, dass die Stiftungskuratoren davon ausgehen müssen, dass frühestens 2005 alles Geld verteilt ist. Die Zwangsarbeiter – die jüngsten sind um die 70 – sterben weg; rund 15 Prozent sind es jetzt bereits. Für die alten Menschen rast die Zeit.

Besonders bitter ist das Schicksal der rund 600.000 italienischen Soldaten, die nach der Kapitulation ihrer Streitkräfte im Zweiten Weltkrieg nach Deutschland deportiert wurden und hier Zwangsarbeit leisten mussten: Sie schufteten ebenso wie die Osteuropäer, wurden nach ihrer Rückkehr teilweise sogar als Verräter behandelt – und erhalten dennoch laut Stiftungsgesetz keinen Cent.

Nun rächt sich, dass die Wirtschaft so lange gebraucht hat, um ihren Anteil an der Zwangsarbeiter-Entschädigung zusammenzukriegen, und dass der Kreis der Berechtigten zu eng gezogen worden ist. Zu viele Menschen werden das ihnen zustehende Geld nicht mehr erhalten. Die große humanitäre Geste, als die das Entschädigungsprojekt angelegt war, ist nicht durchzuhalten. Leider war das nicht anders zu erwarten. PHILIPP GESSLER