Noch unversöhnlich

Gestern trafen sich Joseph Fischer und Colin Powell. Doch zehn Minuten Gespräch reichten nicht aus, ihre Differenzen zu beseitigen

BRÜSSEL taz ■ Wieder ins Gespräch kommen wollte US-Außenminister Colin Powell gestern in Brüssel mit seinen Kollegen aus Nato und EU. Einundzwanzig Termine standen auf seinem Kalender – ganze zehn Minuten waren für ein Vieraugengespräch mit Joschka Fischer eingeplant. Bei der Pressekonferenz am Nachmittag zeigte sich, dass die Standpunkte weiterhin unversöhnlich sind. Powell skizzierte die Nachkriegsordnung so: Die Militärkommandeure sollen nach Ende der Kämpfe die irakische Armee entwaffnen und Massenvernichtungswaffen aufspüren. Dann sollen irakische „Einzelpersonen“ ins Land gebracht werden, „die einer Übergangsbehörde zu Autorität verhelfen“.

Die europäische Botschaft Richtung Washington, die sich aus dem Tag destillieren lässt, lautet dagegen: Europäisches Geld für den Wiederaufbau wird nur fließen, wenn die UNO nach dem Krieg die Regie im Irak übernimmt. Der derzeitige Chef der EU-Außenminister, der Grieche Georgios Papandreou hatte am Abend vor dem Powell-Besuch amerikanische Pläne zurückgewiesen, eine US-Militärregierung im Irak installieren zu wollen. Weitere Konflikte mit der arabischen Welt seien so vorprogrammiert.

Humanitäre Hilfe allerdings will die EU finanzieren. Ein Sprecher von Entwicklungshilfe-Kommissar Poul Nielson berichtete gestern, dass Rat und Parlament voraussichtlich bis zum 10. April weitere 79 Millionen Euro freigeben werden, die aus der „eisernen Reserve“ des EU-Budgets stammen. Die Frage eines Journalisten, wer denn garantieren könne, dass die mit diesem Geld reparierten Krankenhäuser nicht sofort wieder zerstört werden, beantwortete der Sprecher resigniert: „Wir machen das Beste aus einem miesen Job.“

In der EU regt sich zunehmend Widerstand gegen den Vormachtsanspruch der USA. Am Mittwoch diskutierte das Präsidium des EU-Konvents über den französisch-deutschen Vorschlag, den Posten eines EU-Außenministers zu schaffen, der gleichermaßen im Rat wie in der Kommission angebunden sein soll. In einem Interview mit dem Handelsblatt schloss Außenminister Fischer gestern die Möglichkeit nicht aus, die neue Verteidigungsunion im kleinen Kreis zu gründen – das sei beim Schengen-Abkommen zum Grenzabbau schließlich auch so gewesen. „Keiner muss wollen. Aber die, die wollen, müssen auch dürfen.“

Der irische Parlamentarier und Konventsdelegierte John Bruton wurde am Dienstag bei einem Vortrag im irischen Europa-Institut noch deutlicher. Angesichts der Finanzlage und der sozialen Situation in den USA könne sich Europa in Sicherheitsfragen nicht länger auf die Amerikaner verlassen. Das hoch verschuldete Land mit gewaltigem Außenhandelsdefizit und schlecht ausgebildeter Mittelklasse werde seine Stellung als Supermacht verlieren.

Ende April treffen sich in Brüssel die Staaten, die eine eigene schlagkräftige Armee aufbauen wollen. Bislang haben sich Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg zu dem Treffen angemeldet. Alle anderen, so betonte Belgiens Premier Guy Verhofstadt, dürfen sich ebenfalls eingeladen fühlen. Wie viele es am Ende werden, wird auch davon abhängen, ob der Kampf um Bagdad dann noch andauert.

DANIELA WEINGÄRTNER