Aufklärung auf Rädern

Unterwegs gegen Rechtsextremismus, Intoleranz und Vorurteile: Auf Einladung besucht der „FutureBus“ Hamburger Schulen. Und findet manchmal sogar ein hochmotiviertes Publikum

von ANNE HANSEN

Den Film „Der Schwarzfahrer“ kennt keiner. Als er dann läuft, schauen alle gebannt. Und „Kannst du nicht einmal pünktlich sein?“, stöhnen fast alle im Chor, als ein Mitschüler zu spät kommt. Der setzt sich schnell in die hinterste Reihe.

So fängt das Projekt „FutureBus“ immer an: Zwei Studenten gehen in eine Schulklasse, sagen kurz, worum es geht, und zeigen den preisgekrönten Kurzfilm, in dem ein Schwarzer in der S-Bahn von einer älteren Frau bepöbelt wird, ohne dass sich einer der Mitfahrenden einmischt. Anschließend besuchen alle zusammen den Bus. „Nachdem wir uns dort alles angesehen haben, werden wir in der Klasse darüber sprechen“, erklärt Björn Blume.

So ist es geplant. Aber diesmal muss der Student die Schüler bremsen. Die neunte Klasse des Gymnasiums Bramfeld will jetzt schon diskutieren. Warum heißt der Bus FutureBus? Wie seid ihr dazu gekommen? Und ein Schüler sagt: „Der Film ist echt total krass.“ Doch Konstandina Kourkoula, die zweite Leiterin des Projekts, schreitet ein. „Diskussion gibt‘s hinterher, mitkommen.“

Im Bus ist es dann ziemlich ruhig. Die Jugendlichen studieren die Schautafeln. Lesen, wie es zu Vorurteilen kommt, welche rechtsradikalen Parteien es in Deutschland gibt und wie sich ein Skinhead von einem Nazi unterscheidet. Manche Schüler hören über Walkman rechtsradikale Musik, andere stehen am Computer, der über alle Themen noch einmal genauer informiert. Doch plötzlich sind alle Jungs weg. Bis auf einen. Der hat die Musik auf volle Lautstärke gedreht und wippt im Takt mit. Wo die ganzen Jungs sind, will Björn Blume wissen. Ein Mädchen sagt: „Die Jungs kennen sich total gut aus in diesem Thema. Die sind ...“, sie sucht nach dem richtigen Wort, „politisch.“ Die politischen Jungs spielen derweil Basketball auf dem Schulhof.

Zurück im Klassenzimmer. „Ich hoffe, die Diskussion wird was. Manchmal ist es wirklich schwer, etwas aus den Jugendlichen herauszukriegen.“ Konstandina Kourkoula weiß, wovon sie spricht. Vor einer Stunde war die zehnte Klasse des Gymnasiums zu Gast im „FutureBus“.

Rückblick: 24 Schüler, davon zwölf nichtdeutscher Herkunft, schweigen. Alle 24. Geschlossen. Da ist man sich einig. Während sich Blume und Kourkoula am Lehrerpult engagieren, über Fremdenhass im Alltag sprechen, davon erzählen, wie wichtig es sei, nicht wegzusehen, kauen die Jugendlichen Kaugummi, tuscheln, kichern und behalten die Jacken an. Schließlich „klingelt es in 45 Minuten“.

Ein paar Mädchen wollen schließlich immerhin Organisatorisches wissen: Wo es den Bus sonst noch gibt und wo der schon überall war. Und ein Schüler fragt die beiden Studenten: „Ihr seid also auch gegen Rechtsradikale?“ „Nein, wir machen das nur fürs Geld“, sagt Blume. Er lacht, die Klasse lacht, ein Mädchen haut den Fragenden in die Seite, der Lehrer schüttelt den Kopf.

In 45 Minuten klingelt es zwar auch in der neunten Klasse, aber noch bevor Kourkoula und Blume irgendetwas fragen können, diskutieren die Schüler schon. Wäre es nicht besser, die Ausstellung an einem festen Ort zu haben? Kann der „FutureBus“ Vorurteile abbauen?

Wenn diese 14- und 15-Jährigen diskutieren, dann nennen sie den Namen von dem, der zuvor etwas gesagt hat, wiederholen die Aussage und bringen ihre eigenen Argumente. Wenn sie diskutieren, kommen Zwischenrufe, und schon reißen sie wieder die Arme hoch und diskutieren mit ihren Sitznachbarn kurz weiter.

Am Ende verteilen die Studenten Feedbackbögen. Alle sind ruhig, haben die Köpfe fast auf die Tischplatte gelegt und schreiben. Und fragen, ob sie „bei Ankreuzsachen auch neue Kategorien dazumachen dürfen“.

Hinterher wird die Lehrerin sagen, dass es eben eine engagierte Klasse sei, die 14-jährige Michelle wird sagen, dass sie immer „Mega-Diskussionen“ hätten, gerade bei Themen wie Krieg und Fremdenhass, und Björn Blume und Konstandina Kourkoula werden einfach dasitzen, am Lehrerpult, erschlagen, mit roten Wangen, und „baff“ sein, „dass es solche Schüler gibt“.