Chatten mit dem Tutor

Mit kleinen Schritten testet Hamburg Chancen des E-Learnings aus. Wissenschaftsbehörde fördert ab Wintersemester 27 Projekte. Studierende fürchten Kontrolle durch Professoren und fordern „geschützte Chat-Räume“

von SEBASTIAN LEBER

Virtuelles Lernen liegt im Trend - davon ist mittlerweile auch der Hamburger Senat überzeugt. Mit einer Summe von 2,4 Millionen Euro fördert er 27 Projekte an Fachbereichen, die ab dem kommenden Wintersemester das „E-Learning“ erproben sollen.

Vor „überzogenen Erwartungen“ warnt Stefanie Krüger, Koordinatorin für Datenverarbeitung (DV) am Fachbereich Geschichte. Unter E-Learning solle man sich keinesfalls „die Ansprache des Professors durch eine Webcam“ vorstellen, vielmehr gehe es um „begleitende Lernmaterialien im Internet und um zusätzliche Möglichkeiten der Kommunikation.“

Eine komplette Verlegung des Lehrbetriebs ins Netz hält auch Medienpädagoge Stefan Aufenanger für falsch: Der reale Kontakt zwischen Lehrenden und Professoren sei durch kein Computerprogramm zu ersetzen. Sowohl Krüger als auch Aufenanger haben an der Uni eigene E-Learning-Projekte angeschoben.

Obwohl der offizielle Lehrbetrieb erst im nächsten Semester aufgenommen wird, laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Die Professoren machen sich mit verschiedenen „Lernplattformen“ vertraut und überlegen, wie Studenten sich die so gefragte „Medienkompetenz“ aneignen können. Gerade Geisteswissenschaftler müssten den kritischen Umgang mit neuen Medien erlernen, so Krüger. Das sei ein hartes Stück Arbeit.

Geplant sind zum Beispiel moderierte Chats und Diskussionsforen, in denen die Kursteilnehmer den Stoff aus ihrem Seminar nachbesprechen können. Hier biete sich die Möglichkeit, „Aufgaben des klassischen Tutoriums ins Internet zu verlagern“. In jedem Fall legt Krüger großen Wert auf eine intensive Betreungssituation. Wenn der Lehrende seine Studenten ohne Hilfestellung und Motivation im Netz alleine lasse, drohe dieser in ein „virtuelles schwarzes Loch“ zu fallen. „So mancher Professor stellt einfach bloß sein Skript ins Netz und meint dann, das sei E-Learning“, warnt auch Medienpädagoge Aufenanger

Angst vor zuviel Betreuung haben hingegen die Studenten. Maik Sühr vom Fachschaftsrat Philosophie begrüßt zwar grundsätzlich den Einsatz neuer Medien an der Uni, warnt jedoch vor den Kontrollmöglichkeiten virtueller Lernplattformen: Mit Hilfe solcher Programme könne jeder Professor ganz leicht feststellen, „welcher Student zu welcher Zeit und wie lange welche Seite aufruft“. Sühr fordert einen verantwortungsbewussten Umgang mit den gewonnenen Daten und schlägt die Einrichtung „geschützter Chat-Räume“ vor, auf die Lehrende keinen Zugriff haben. Auch müssten noch weitere datenschutzrechtliche Fragen geklärt werden.

Diese Bedenken kann Krüger gut nachvollziehen. Tatsächlich gewähre E-Learning weit weniger Anonymität, als „schweigend ganz hinten im Seminarraum“ zu sitzen. Von der technischen Seite sei ein solches „Überwachungsszenario“ denkbar, jedoch liege Derartiges gar nicht im Interesse der Professoren. Viel eher mache es für Lehrende Sinn zu erfahren, welche Angebote von Studenten angenommen würden und welche nicht.