Werbevermüllung

Seit einem Jahr organisiert eine Uni-GmbH Werbung auf dem Campus. Wer kommerzielle Flyer und Broschüren auslegt, soll für die Verteilung bezahlen. Asta fürchtet noch mehr Werbung und Verlust von bunter Studentenkultur

von SEBASTIAN LEBER

Studenten der Hamburger Uni können in Zukunft getrost auf ihr Tageshoroskop verzichten. Seit Wochen bekommen sie in der Mensa kostenlos Glückskekse zugesteckt, die ihnen kluge Tipps für alle Lebenslagen bieten. In dem knusprigen Gebäck finden sich kleine Zettel mit Tipps wie „Nur wer viel reist, kommt im Leben voran“. Kein Wunder – die Kekse sind Werbegeschenke der Bahn AG.

Wieviel Werbung auf dem Campus erlaubt sein sollte, daran scheiden sich derzeit die Geister. Jahrelang mussten Angestellte der Uni palettenweise Reklamehefte entsorgen und Werbeplakate von Fensterscheiben kratzen. Nun hat Jochen Taaks von der Uni Marketing GmbH der „Werbevermüllung“ den Kampf angesagt. Seit März vergangenen Jahres fungiert er als Schnittstelle zwischen Univerwaltung und Unternehmen: Während früher unkontrolliert nach Lust und Laune geworben wurde, müssen interessierte Firmen nun kostenpflichtige Verträge abschließen.

Die dabei entstehenden Einnahmen könne die Uni angesichts leerer Kassen bestens gebrauchen, so Taaks, jedoch gehe es der Marketing GmbH gar nicht um die Erlöse. Vielmehr habe man bei jedem Geschäft „auch stets den Benefit für die Studenten im Auge“. Unter Benefit versteht Taaks Geschenke oder Sonderrabatte, von denen Hamburgs Studenten profitieren könnten. So schenkte die Haspa beim letzten Uniball kostenlos Sekt aus, und der Hamburger Sportverein verteilte Freikarten an Erstsemester. Solche Werbung sei von Studenten erwünscht, nimmt Taaks an.

Trotzdem hat sich die Marketing GmbH innerhalb kürzester Zeit Feinde gemacht. So beschwerten sich Studenten über Werbebanner der Lufthansa auf der offiziellen Uni-Homepage, und Fachschaftsräte lehnten das Angebot ab, ihre Semesterpartys von einem Tabakkonzern sponsern zu lassen. Gar nicht angetan von Taaks Aktivtäten ist auch die „Hamburger Uniscene“. Das Hochschulmagazin wird monatlich von Hamburger Studenten erstellt und kostenlos an allen Fachbereichen verteilt. Seit kurzem ist nun das Auslegen des Hefts auf dem Campusgelände nicht mehr kostenlos gestattet, weil es sich durch Anzeigen selbst finanziert. „Herr Taaks hat uns angeboten, für mehrere tausend Euro pro Jahr die Verteilung zu übernehmen“, sagt Chefredakteur Kai Hoffmann. „Falls wir das nicht annehmen, sei eine Verteilung nicht mehr möglich.“ Einen solchen Betrag könne sich ein von Studenten gemachtes Magazin jedoch nicht leisten, sagt Hoffmann.

Noch härter trifft es den Campus-Kultur-Verein (CKV). Jahrelang organisierten die Studenten Jan Berckhan und Sören Callsen Kulturveranstaltungen auf dem Unigelände. Jetzt steht der CKV vor dem Aus: Seit Taaks als „aggressiver Monopolist für Werbung auf dem Campus“ auftrete, könne der Verein keine Sponsoren mehr gewinnen. Berckhan: „Wir sind bewusst ruiniert worden.“ Diesen Vorwurf kann Taaks nicht nachvollziehen. Was auch immer zur Beendigung der Aktivitäten des CKV geführt habe, einen Zusammenhang mit der Regulierung der kommerziellen Campus-Werbung gebe es nicht.

Auch der Asta verfolgt die Aktivitäten der Marketing GmbH mit Skepsis. Referentin Katja Schmitz-Dräger befürchtet, dass Taaks letztlich nicht für weniger, sondern für mehr Werbung an der Uni sorgen werde. Eine GmbH sei logischerweise darauf bedacht, Gewinne einzufahren. Also habe sie ein Interesse, die Kommerzialisierung auf dem Campus voranzutreiben: „Wir warten schon auf den Tag, an dem ein Mercedes-Stern auf dem Dach des Audimax aufgestellt wird.“ Die bunte studentische Kultur, so fürchtet sie, bleibe dabei auf der Strecke.

„Studentische Kultur abzuwürgen ist das Letzte, was wir wollen“, sagt dagegen Taaks. „Selbstverständlich dürfen studentische Gruppen weiter ihre Hefte verteilen.“ Die Grenze liege dort, wo der kommerzielle Gewinn das Ziel einer Publikation ist.