Anwohner verhindern jüdisches Zentrum

Vier Jahre plante Neuss den Neubau einer Synagoge – doch kurz vor der Kommunalwahl knickt die regierende CDU ein

NEUSS taz ■ Vier Jahre war es eine Idee, für die der Neusser Bürgermeister Herbert Napp (CDU) sich bundesweit loben ließ, seit letzter Woche ist sie vom Tisch: Nur wenige hundert Meter entfernt von dem Ort, an dem die Neusser 1938 eifrig Benzinkanister herbeischleppten und die Synagoge verbrannten, sollte im Stadtkern, in einem leer stehenden Theater ein neues jüdisches Zentrum mit Gemeindesaal, Jugendzentrum und Kindergarten entstehen. Aus „Platz- und Sicherheitsgründen“ sagte Napp jetzt überraschend das Projekt ab. Eine kleine Wiese jenseits des Stadtparks schlug er stattdessen als neuen Standort für das Zentrum vor.

„Sehr obskur“ ist Napps Entscheidung für Michael Klinkicht, Stadtverordneter von Bündnis 90/Die Grünen: „Vor zwei Jahren haben wir mit der jüdischen Gemeinde Sicherheits- und Platzfragen geprüft und festgestellt, dass ein Umbau des Theaters keinerlei Probleme schafft.“ De facto gab Napp mit der Absage den Protesten gutsituierter Anwohner gegen die zukünftige jüdische Nachbarschaft nach.

Nachdem die Baupläne für das Theater im vorigen Jahr öffentlich vorgestellt wurden, ergossen sich Ressentiments gegen das Gemeindezentrum nicht mehr klammheimlich, sondern in Form von Leserbriefen in der Neuss-Grevenbroicher Lokalzeitung: Trotz der fußläufigen Nähe mehrerer Parkhäuser befürchteten Apotheker Wolfgang Reipen und Werner Schuster, Inhaber der Werbeagentur „Schuster und Partner“, den Verlust von Parkplätzen und wünschten die Synagoge weit außerhalb des Stadtkerns. Musiklehrer Wilhelm Schepping rümpfte die Nase, weil der geplante Umbau von „ästhetischer Egozentrik“ zeuge und die gediegene Atmosphäre der Jugendstilfassaden ringsum störe. Als Mitglieder des einflussreichen Rotary Clubs blieben die Wortführer nun nicht ohne Erfolg. Dennoch steht Michael Szentei-Heise, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Düsseldorf, zu Napps Entscheidung: „Das neue Grundstück ist ganz erheblich besser als das alte Theater.“

Detail am Rande: Neue Adresse der jüdischen Gemeinde wird nach Napps Plan die Schorlemer Straße, benannt nach dem Ex-Landrat Clemens von Schorlemer, der von der Antisemitischen Partei 1893 als Kandidat für die Reichstagswahl nominiert wurde und 37,6 Prozent der Stimmen erhielt. Bis heute ist der erklärte Antisemit übrigens Ehrenbürger der Stadt. Ob er auch Ehrenmitglied der Rotarier ist, ist dagegen unbekannt.

KARIN JANSEN