Neue Mäppchen

Auch wenn Papa Staat nichts dazubezahlt, die Hochschulreform bringt Nachteile für junge Menschen. Unipolitik mit atemberaubendem Tempo und karierten Fronten

Editorial: KAIJA KUTTER

Es erschien uns seltsam, in diesen Tagen ein Heft zu erstellen, dass sich nicht mit dem Krieg im Irak befasst. Der Kriegsbeginn fiel ebenso wie die Veröffentlichung des Dohnanyi-Kommissionsberichts in die Semesterferien. Und am Rande der großen Schülerdemonstration vom 24. März wurden auch Studierende verhaftet, die den von der Polizei verfolgten jungen Leuten zur Hilfe eilen wollten. Darunter auch ein Autor dieses Hefts.

Doch über den Krieg und die globalen und lokalen Proteste wird an anderer Stelle – in der täglichen taz – ausführlich berichtet. Die Gelegenheit, über das Dohnanyi-Strukturkonzept differenzierter zu schreiben, bietet sich dagegen in diesem UniSpezial.

Wir fragen, welche Nachteile dieses als „Quadratur des Kreises“ gepriesene Konzept für die Hochschulen bis zum Jahr 2012 hat, das mehr Absolventen hervorbringen soll, ohne, dass Papa Staat noch einen Pfennig dazubezahlt. Wir lassen im Sinne einer breiten Diskussion Wissenschaftssenator Jörg Dräger (parteilos), Universitäts-Präsident Jürgen Lüthje und den linken Studentenvertreter Olaf Walther zu Wort kommen und werfen Schlaglichter auf die Geisteswissenschaften, den HWP-Konflikt und die Frage der Chancen für künftige Generationen. Tatsächlich handelt es sich hier um die zweite große Welle von Studienplatzabbau, nachdem Hamburg in den 90er Jahren die Anfängerzahl schon einmal von 13.000 auf 11.000 senkte.

Der dramatischste Einschnitt wird die Schaffung der Bachelor-Master-Struktur sein, eine Struktur, die künftig kräftigt siebt und nur den kleineren Teil der Studierenden mit einem zehnsemestrigen Studium ins Leben entlässt. Die Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen fürchten, dass, wegen der immer noch klassischen Rollenverteilung, die Männer den Master und die Frauen das kleinere Zertifikat erhalten. Deswegen haben wir dem Mädchen auf dem Titelblatt das Bachelor-Mäppchen in die Hand gedrückt, in der optimistischen Annahme, beide Kinder bekämen überhaupt einen Studienplatz.

Wer sich mit den Strukturempfehlungen beschäftigt, merkt aber, dass Schwarz und Weiß nicht überall eindeutig zuzuordnen sind. Die Fronten sind teilweise kariert. So kann gerade die Bachelor-Master-Struktur auch Frauen helfen, Qualifikation und Kinder zu vereinen oder Studienabbrüche zu verhindern. Es kommt bei Studienreformen auf die Umsetzung an. So beweist die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (HWP) mit ihren hohen Absolventenzahlen, dass ein strukturierteres Studium den Bedürfnissen der Menschen auch entgegenkommen kann. Andererseits erschreckt Professoren der Universität, die bisher nur kleinere Reformschritte wie „studienbegleitende Prüfungen“ umsetzten, dass Studierende „nur noch für die Klausur und nicht mehr eigenständig“ lernen. Es müsste also in Wirklichkeit erlaubt sein, nicht nur über die Fortführung, sondern auch über die Rücknahme von Reformen zu reden. Dies freilich passt nicht zum Politikstil von Senator Dräger, der die Uni-Szene parallel mit einem Hochschulgesetz zur Abschaffung der Gremiendemokratie in Atem hält und mit Berufungsstopps zeigt, wer der Herr im Hause ist.

Auch wir sind nicht konsequent. Unserem Sportredakteur ließen wir ein Loblied auf die athletische Eliteförderung durchgehen. Abgesehen davon, das zeigen die Reportagen aus WG- und Kneipenalltag, scheint das Studierendenleben noch immer ganz beschaulich zu sein.