Der Tiger in der guten Stube

Sie kam, sah sich um, schärfte die Krallen und zog ein: Ein Erfahrungsbericht über das unfreiwillige Wohnen mit Katzen, Tierarztkosten, Meuchelmorde und Nachbarschaftsbeziehungen. Fakt ist: Bei Katzen hilft kein Kammerjäger, kein Jammern und kein Klagen – nur Whiskas

taz ■ Gegen Katzen im Haus kann man nichts machen. Da hilft kein Kammerjäger, kein Jammern, kein Klagen. Eine Katze zieht auch dann ein, wenn zuvor ein WG-Plenum mit vier zu einer Stimme gegen das Haustier der neuen Mitbewohnerin gestimmt hat.

„Saika“ zum Beispiel sollte eigentlich im Studiheim bleiben, bis ihre Besitzerin und Dosenöffnerin eine Bleibe mit Katzenerlaubnis gefunden haben würde. Doch nach zwei Wochen stand Saika bei uns auf der Matte – samt Katzenklo und Fressnäpfen. Was war geschehen? Sie hatte sich mal eben der Hausmeisterin des Wohnheims vorgestellt, die hatte ihr die Hausordnung vorgelesen: Keine Haustiere.

War es etwa Saikas Problem, dass in ihrer neuen Wirkungsstätte bereits eine Katze wohnte?

Diese war natürlich ebenfalls gegen den WG-Willen eingezogen, hatte es aber geschafft, sich im Laufe der Jahre bei fast allen einzuschmeicheln. Herzig, wie sie pünktlich zu den Nachrichten im Fernsehzimmer erschien und sich als Heizdecke über die Knie legte. Weniger herzig, wie sie manchmal täglich die Wohnung vollkotzte. Da landete der erste Schritt nach dem Aufstehen eben mal in halbverdautem Whiskas.

„Tapsi“ hieß das liebe Tier, Ex-Straßenkatze, mindestens 13 Jahre alt, überängstlich und schon etwas klapprig. Saikas Einzug gab ihr den Rest. Obwohl wir mit aller Macht zu verhindern suchten, dass die beiden sich begegneten, Saika sogar in einem Wäschekorb durch die Wohnung trugen, um Tapsi in der Illusion zu wiegen, dass ihre Konkurrentin das Weite gesucht habe – acht Wochen nach dem Einzug von Katze II war Tapsi tot, der Tierarzt 240 Euro reicher. Dreimal hatten wir ihn nach Feierabend gerufen, damit er der an gebrochenem Herzen und Schlaganfall leidenden Katze wieder auf die Pfoten half. Zweimal gelang es ihm, beim dritten Mal gab es die Spritze, die den Weg ins Katzenparadies ebnet.

Dort war Saika längst angekommen. Nicht nur wir schafften es, unseren Kummer zu verbergen und sie nicht dafür zu hassen, dass sie Tapsi ins Grab gebracht hatte. Auch die Nachbarn fanden und finden Saika ganz entzückend. Obwohl sie nachts vor deren Fenster steht und schreit, bis sie jemand reinlässt. Bis heute ist es uns nicht gelungen, der Nachbarin klar zu machen, dass Saika zu fett ist, sie – wenn überhaupt – nur von uns gefüttert wird. Eines Tages hing eine Kopie des Katzenratgebers „Catwatching“ an unserer Tür mit dem Vermerk „Viel Spaß beim Lesen, vielleicht versteht ihr Saika mehr oder besser“. Angestrichen war das Kapitel über Katzen, die ihr Futter verweigern. Antwort: „Eine freundliche Nachbarin gibt ihr vielleicht einige Leckerbissen“. Da hatten wir es schwarz auf weiß.

Dafür hatten wir unsere Nachbarin kennen gelernt. Und nicht nur die. Neulich rief jemand an, weil Saika schon zwei Straßen weiter keine Ahnung mehr hatte, wie sie nach Hause finden werde. Dezent muss sie mit ihrem Glöckchen am Halsband gebimmelt haben, um auf das Röhrchen mit unserer Telefonnummer hinzuweisen.

Ein Gespräch ergab sich auch mit einer anderen Nachbarin, als unsere Katze ihren Hund – den sehr schüchternen einäugigen Beagle „Theo“ – durch den Garten jagte. Ein unwürdiges Schauspiel. „Ähm, sie will doch nur spielen“, entschuldigten wir uns über den Gartenzaun und boten an, dass sie Saika ruhig einen Tritt versetzen dürfe, wenn diese Theo erneut überfallen würde.

Armer Theo. Hunde wenigstens können sich nützlich machen: Leute retten, Drogen suchen oder auch einfach beim Garten umgraben helfen. Saika hingegen kackt ins Beet, wirft sich mit Wonne auf alles, was blüht, bis nur noch ein zerfleddertes Büschel übrig ist und vertreibt die Kröten, indem sie sich einfach draufsetzt.

Ein rundum nutzloses – wenn auch puscheliges und niedliches – Tier also? Ja. Mit einer Ausnahme. Sie fängt die Mäuse im Treppenhaus. Leider auch, wenn wir dabei zusehen und uns zwischen Beihilfe zum Mord und Mäusen im Haus entscheiden müssen. Aber: Wer Katzen im Haus hat, kann auf Mäuse gut verzichten.

Eiken Bruhn