Size does matter

Essen, gerne größte Stadt im Revier, darf sich stellvertretend fürs Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt 2010 bewerben. Offenbar ging es nach dem Willen der CDU-Mehrheit im Kommunalverband Ruhr

VON PETER ORTMANN

Essen wird als Stellvertreterin für das Ruhrgebiet ins Rennen um die europäische Kulturhauptstadt 2010 geschickt. Das ergab gestern eine geheime Kampfabstimmung in der Verbandsversammlung des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR). „Ein historisches Ereignis“, sagt Verbandspräsident Gerd Willamowski. Zum ersten Mal sei dort eine Entscheidung für die ganze Region getroffen worden. Mit 23 zu 20 Stimmen und einer Enthaltung, entschieden sich die Abgeordneten gegen Bochum. Die Anzahl der Stimmen für Essen entspricht exakt dem CDU-Kontingent im so genannten Ruhrparlament.

„Das ist kein Zufall“, sagt Martina Schmück-Glock, Vorsitzende der SPD-Fraktion. Sie hätte gern mal eine andere Stadt vorne gesehen, hielt kurz vor der Abstimmung noch eine lange Rede, in der die zahlreichen privaten Sponsoren ihrer Heimatstadt Bochum genannt wurden. Es half nichts. „Wir haben gewonnen“, Oliver Scheytt, Kulturdezernent der Stadt Essen, hüpfte wie ein Schulbub durch die CDU-Reihen. Hans-Georg Küppers, Kulturdezernent aus Bochum, war dagegen sichtlich geschockt: „Wenn man sich so reingehängt hat, ist man natürlich enttäuscht“. Das sei wie beim Eiskunstlaufen, da könne die beste Leistung erbracht werden, dennoch wisse niemand, wie es am Ende ausgehe. „Wir übernehmen die Verantwortung gern“, sagt Scheytt. Zusammen mit Bochum wolle man den Karren weiterziehen. Denn erst Ende 2005 entscheidet eine Expertenrunde in NRW, ob Köln, Münster, Lippe oder das Ruhrgebiet sich der nationalen Ausscheidung 2010 stellen darf. 17 Städte bewerben sich um den Titel Europäische Kulturhauptstadt, die im Jahr 2010 von Deutschland gestellt wird.

Die Stadt Essen muss in den nächsten Jahren sechs Millionen Euro aufbringen. „Das können wir zusammensparen.“ Scheytt ist zuversichtlich, trotz eines nicht genehmigten Haushalts. Der Kulturetat betrage schließlich über 60 Millionen Euro. Johannes Brackmann vom soziokulturellen Zentrum Grend in Essen-Steele findet das nicht witzig. „Wir kriegen ständig gesagt, es sei kein Geld da“, sagt er. Niemand wisse in Essen, wie die Stadtteilbibliotheken weiter finanziert werden sollen, niemand habe ein tragfähiges Konzept für die Philharmonie oder das RuhrMuseum. „Ich möchte nicht, dass ab 2006 nur noch von Essen als Kulturhauptstadt gespochen wird und das Ruhrgebiet am Katzentisch sitzt“, sagt Wilhelm Jasperneite, CDU-Fraktionsvorsitzende. Er bestreitet, dass es Absprachen gegeben habe. Als Werner Bürger sei es ihm egal gewesen, wer gewinnt. Er habe sich aber nicht enthalten.

In Dortmund wird das Ergebnis eher müde lächelnd betrachtet. Früh hat sich die Stadt aus dem Wettbewerb zurückgezogen. Kultur- und Sportdezernent Jörg Stüdemann hat andere Probleme: Die Fußballweltmeisterschaft 2006. „Das belastet eine Kommune gewaltig“, sagt er. Die Stadt wolle, im Gegensatz zu Essen, ihren Etat nicht überstrapazieren. „Wir halten uns freundlich am Rande.“