Schrumpfen ist teuer

Flächenfraß und Folgen: Wald und Wiese werden zu Lasten der Innenstadt am Stadtrand vergeudet, fast keiner denkt an die Kosten. Auf einer BUND-Veranstaltung wurde die Bremer Sanierung attackiert

„Sie setzen dieses Zentrum durch die Außenflächen unter Druck“

Jeden Tag wird in Deutschland eine Fläche von 130 Hektar, das entspricht mehr als der Hälfte Berlins, verbraucht. Auch wenn nicht die ganze Fläche im Straßen-, Gewerbe- und Siedlungsbau versiegelt wird – die Zahlen sind „Besorgnis erregend“, sagte Stefan Siedentop vom Dresdener Institut für ökologische Raumentwicklung. Thema auf der BUND-Veranstaltung am Donnerstagabend: „Bremer Flächenpolitik – auf Dauer unbezahlbar?“

Bremen liegt bei der Versiegelung von Wiesen und Wäldern landesweit im Mittelfeld. Dafür ist neben der steigenden Wohnfläche – heute lebt jeder Bremer im Schnitt auf 40 Quadratmetern – auch die Ausweisung von Grüngebieten verantwortlich. Siedentop: „Nach wie vor eine klassische Wettbewerbsstrategie der Kommunen.“ Baugebiete für Wohnungen oder Gewerbe würden in Konkurrenz zur Nachbargemeinde am Stadtrand ausgewiesen, um Steuern und Einwohner für sich zu behalten.

Nicht nur die Ökologie leide darunter – auch die Finanzen der Kommunen, deren Aufwendungen für Straßen, Kanalisation oder Kindergärten sich häufig nicht amortisierten. Siedentop: „Wir erleben das in Ostdeutschland, wo die Fixkosten für Infrastruktur sich auf immer weniger Einwohner verteilen: Da schnellen die Gebühren in die Höhe.“ Sein Fazit: „Schrumpfende Städte sind teure Städte.“

Beim Bremer Sanierungsprogramm haben auch hiesige Politiker „mit Wachstum auf Schrumpfung“ (Siedentop) reagiert. Michael Abendroth vom BUND erläuterte, dass in den Jahren 1999 bis 2001 428 „Nettogewerbeflächen“ verbraucht worden seien. Daran schließe das neue Flächenprogramm, das gerade abgesegnet wurde, mit weiteren 950 Hektar bis zum Jahr 2010 an. Dabei gebe es dafür keine präzise Kosten-Nutzen-Rechnung, bedauerte Abendroth. Exemplarisch nannte er die Kosten für das 50 Hektar große Gewerbegebiet Hansalinie. Über 90 Millionen Euro wurden in die Hansalinie an der A1 bei Arbergen gesteckt, 2001 sollte, so die damalige Hoffnung, „das große Geldverdienen“ beginnen. Heute sind jedoch gerade mal 26 Hektar verkauft. 15 Firmen arbeiten dort, davon sind 10 aus dem bremischen Stadtgebiet dorthin umgezogen.

Lutz Ruminski, Sprecher der Bremer Investitionsgesellschaft (BIG), entgegnete schlicht: „In der Hansalinie wurden 800 Arbeitsplätze geschaffen und 450 gesichert.“ In der Airport City seien sogar 5.500 Jobs entstanden. Ruminski: „Es ist ein Fehler zu glauben, man könne den Investoren vorschreiben, wo sie bauen.“ Stattdessen müsse ein Angebot da sein, auf das Geldgeber kurzfristig zugreifen könnten.

Viertel-Ortsamtsleiter Robert Bücking gab ihm in diesem Punkt recht. Vehement plädierte er jedoch dafür, den Qualitäten der Innenstadt mehr Aufmerksamkeit zu widmen. „Dort arbeiten 56.000 Menschen inmitten einer funktionierenden und aufwändigen Infrastruktur.“ Und, an Ruminski gewandt: „Sie setzen dieses Zentrum durch die Außenflächen unter Druck.“ Bestes Beispiel, dass es auch anders gehe: die Hafenreviere, die jetzt auch die Koalition entdeckt habe. Aber: Diese Entwicklung müsse „viel dominanter sein“. sim