Groovende Giftler

Kommendes Wochenende feiert Bremen den bundesweit größten Samba- und Maskenkarneval – dieses Jahr unter dem Motto „Anno 1404“

Die Bremer kannten Karneval zuvor nur als nette Feier in Gemeindezentren

AUS BREMEN SUSANNE POLIG

Mit Büttenreden und Funkenmariechen braucht man Katharina Witte nicht zu kommen. „Ne“, sagt sie „das ist nix für mich“ und zieht dabei die Nase kraus als würde ein unanständiges Lüftchen wehen. Freundliche Drachenaugen stimmen ihr zu. Hier, im Dachgeschoss des Kontorhauses im Bremer Ostertorviertel, wird seit Weihnachten geschnippelt, geklebt, modelliert und gepinselt, damit beim 19. Bremer Karneval die „Drachenreiter“ in vollem Glanz erstrahlen. Auch Katharina Witte wird ein Drachenkostüm tragen und auf Stelzen über Kopfsteinpflaster und Gullydeckel durch die Innenstadt staken.

Insgesamt werden kommendes Wochenende mehr als 1.000 Samba- und MaskenspielerInnen die Wintergeister aus der Stadt jagen. „Möhte ich verslâfen des winters zît“ wünschte sich einst Minne-Dichter Walter von der Vogelweide. Im Bremer Winter dürfte er sich dieses Jahr wohl fühlen, denn ihm bekannte Figuren treten auf: Alchemisten, Hexen, Narren, Drachen und Feen feiern unter dem Motto „Anno 1404“ den 600. Geburtstag des Bremer Roland. „Es wird kein Abklatsch von Mittelaltermärkten, so mit Lederbeutel am Kleid“, sagt Witte, die seit 13 Jahren der Organisation des Karnevals viel Freizeit opfert. Nebenbei: Alle Helfer arbeiten ehrenamtlich.

Auch Architekt Martin Sasse werkelt seit Wochen an seinem Drachenkostüm. Sasse ist von Anfang an dabei. Mit einem Lächeln erinnert er sich an 1985, das erste Samba-Jahr in der Hansestadt: „Es war Vollmond und ein kleiner Zug ist rund vier Stunden durch das verschneite Bremen gestapft. An der Weser entlang war es ziemlich trostlos, da stand gar niemand.“ Die Bremer, die Karneval zuvor nur als nette Feier in Schulen oder Gemeindezentren kannten, wussten anfangs nicht viel mit den temperamentvollen Rhythmen anzufangen. „Das hat hier nix verloren“, moserten einige.

Kaum einer hätte erwartet, dass sich der Samba-Karneval einige Jahre später mit knapp 200 Samba- und Maskengruppen sowie über 20.000 BesucherInnen zum größten Deutschlands mausern würde – am wenigsten die Organisatoren selbst.

Bereits eine Woche vor Rosenmontag sind die Samba-Narren los – um sich abzugrenzen vom traditionellen Karnevalsgeschehen. Aber auch, weil viele Gruppen aus Köln oder Dortmund bei einer Terminüberschneidung nicht kommen würden. Anfangs hatten sich die Initiatoren Vollmond-Tage für den Umzug ausgewählt, doch diese können mitunter in die Zeit nach Aschermittwoch fallen. Durchsetzen konnte sich das Wochenende vor Rosenmontag, immerhin ist der Februar Bremens regenärmster Monat.

Ziemlich klein ist das Organisations-Team: Um die Planung des Spektakels kümmert sich im Kern nur ein engagiertes Dutzend und das will der ständigen Samba-Expansion vorerst Einhalt gebieten. „Vom vorletzten auf das letzte Jahr hatten wir 30 Prozent Zuwachs“, erklärt Sasse. Irgendwann ist Schluss.

Die Drachen im Atelier scheinen zustimmend mit den Pappmachéköpfen zu nicken. 200 Euro kostet allein das Material um einen von ihnen zu basteln – von Arbeitsstunden ganz zu schweigen. Wieder verwendet werden sie nicht, denn jedes Jahr kommt ein neues Motto. Sasse, in dessen Gästezimmer sich bereits ein bunter Flitter-Zoo tummelt, hat das Stelzenlaufen innerhalb von zwei Wochenenden gelernt. Die Perfektionierung der Kostüme dagegen hat Jahre gedauert. Anfangs, erinnert er sich, hätten sie lediglich ein paar bunte Stofffetzen zusammengenäht.

Neben dem Straßenkarneval am Samstag und den Partys am Abend ist ein Highlight des Bremer Samba-Karnevals die FreiNacht. Mehr als 200 MaskenspielerInnen werden erwartet, unter anderem das Oldenburger Blauschimmel-Atelier, das Theater Leichtsinn aus Düsseldorf und die Bremer Blaumeier-Maskenspieler. Am Freitag- und Samstagabend werden sie die vier Hektar großen Wallanlagen am alten Stadtgraben in mystische Klänge und Lichterfluten tauchen und so eine traumhafte Kulisse schaffen für Heilige, Dämonen, Mönche und Giftler.

Katharina Wittes Maskenbauerherz hängt an der FreiNacht. Denn sie lässt einen Raum für Maskenspiele, der in Größe und Qualität außergewöhnlich ist – die Maskenspieler werden wie die Sambistas aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen.

Der 19. Bremer Karneval beginnt mit den FreiNächten, am 13./14. 2. jeweils von 18-22 Uhr, Eintritt 7 Euro. Der Karnevalsumzug startet am Samstag um 12 Uhr auf dem Marktplatz. Weitere Infos unter www.bremer- karneval.de