Einmal mit dem Fahrrad um die Welt

Ein eigenwilliges Anti-Aging-Programm: mit fast 75 Jahren auf Radtour – weltweit. Zurzeit fahren Gerhard und Jutta Krauss durch Australien, weiter geht es dann über die Fidschiinseln nach Vancouver, von wo aus der nordamerikanische Kontinent bis nach Montreal durchquert werden soll

Gerhard und Jutta Krauss, er 74, sie 54 Jahre alt, fahren mit dem Rad einmal um die ganze Welt. Im letzten Jahr sind sie gestartet, mit Zelt und Schlafsack, eine Hälfte des Globus haben sie bereits geschafft, quer durch Europa und Asien, über Sofia, Istanbul, Nowosibirsk und Ulan-Bator. Halbzeit.

„Schon als Kind träumte ich davon, einmal mit dem Fahrrad um die Welt zu radeln. Das fing an mit den Erzählungen meines Vaters, der zur See fuhr. Später, im strapaziösen hektischen Berufsleben, wünschte ich mir ebenfalls, einmal alles hinter mir zu lassen, die Welt zu erkunden.“ Das spricht der ehemalige Bankdirektor ganz gelassen aus, denn er ist dabei, seinen großen Traum zu verwirklichen.

Und seine Frau? „Ich begleite ihn, weil ich ihn liebe“, sagt sie. Was sich so einfach anhört, wirft doch Fragen auf: Wie meistert ein älteres Paar die Strapazen, mit denen eine Weltumradlung verbunden ist?

„Oft wundere ich mich selbst, wie meine alternden Organe das schaffen, mir scheint es oft wie ein Wunder“, erzählt der ältere Herr, der vor über 30 Jahren Leistungssport zu seinem Hobby machte. Die sportliche Karriere begann eher zufällig, mit der Frage des damals halbwüchsigen Sohns: „Papa, gehst du mit mir laufen?“

Gemeinsam mit seiner Frau trainiert er seitdem für Wettkämpfe im Ausdauerbereich. Und mittlerweile stapeln sich die Pokale und Urkunden im Keller: Über 50 Marathons hat der Bayer bislang absolviert, er gilt als ältester Triathlet Europas, ist Weltmeister im Skilanglauf der Senioren, „Iron Man“ in Hawaii. Das jahrzehntelange Training hat sich gelohnt, der Höhepunkt: die gigantische Fahrradtour.

Zurzeit durchqueren Gerhard und Jutta Krauss Südostasien, und ihre Begegnungen sind überraschend. So zum Beispiel vor kurzem in Phnom Penh. Junge Leute auf Motorrädern mit Transparenten, Sprechchöre skandierend, demonstrierten in der kambodschanischen Hauptstadt. „Was zunächst nach einer harmlosen Studentendemonstration aussah, eskalierte am Nachmittag und in der Nacht“, berichten die beiden Weltreisenden. „Wir hörten Detonationen; gleich um die Ecke hinter unserem Hotel brannte ein thailändischer Geschäftskomplex.“ Etwas später erfuhren die beiden, dass eine zwanzigjährige Thai-Filmdiva die Tempelstätten Angkor, das Nationalheiligtum der Khmer, für Thailand reklamiert hatte – Auslöser für die Unruhen, die jedoch bald wieder verebbten.

Pauschalreisen sind für das Ehepaar inzwischen undenkbar: „Wie viel entgeht den Touristen in den Reisegruppen, die sich ja sehr viel mit sich selbst beschäftigen und ihren eigenen Willen beim Reiseleiter abgeben!“

Ob bei der Quartiersuche oder bei Sprachproblemen, Hilfe fanden die Fahrradreisenden stets. „Unsere schönsten Erlebnisse hatten wir mit Menschen, die – aus europäischer Sicht – in primitiven Verhältnissen leben.“

Obwohl Jutta ihren Gerhard als „extrem“ einstuft, was die Anforderungen angeht („Er ist erst glücklich, wenn wir total geschafft, am späten Nachmittag nach mindestens 140 Kilometern die Tagesetappe beenden“), fühlt sich das Paar durch die Reise noch enger verbunden: „Das gemeinsam Erlebte schweißt zusammen und stärkt die gegenseitige Fürsorge. Es ist die Bewährung einer Partnerschaft, einer fühlt sich für den anderen verantwortlich, und wir gehen uns nicht auf die Nerven.“

Nur manchmal, da kann es zu Meinungsverschiedenheiten kommen, wenn es um die Übernachtungsmöglichkeiten geht. „Ich habe 40 Jahre im Krankenhaus gearbeitet“, erklärt Jutta, „da ist Hygiene für mich ein wichtiger Faktor.“ Während ihr Mann bei der Quartiersuche also viele Zimmer als „in Ordnung“ einstufte, hielt sie die Unterkunft häufig für „unzumutbar“: „Jetzt schaue ich mir die Zimmer an, bevor wir sie beziehen.“

Schon bald werden die beiden Australien erreichen, weiter geht es dann über die Fidschiinseln nach Vancouver, von wo aus sie den nordamerikanischen Kontinent bis nach Montreal durchqueren wollen. Der letzte Abschnitt startet in Marrakesch und führt über Ceuta und Nîmes schließlich ins heimische Feldafing zurück. Das wird im Herbst sein. 30.000 Kilometer in über 20 Monaten haben sie dann zurückgelegt. Die wohl wichtigste Reiseerfahrung scheint für Ehepaar Krauss aber bereits jetzt schon festzustehen: Träume zu haben, sie zu verwirklichen – das hält jung. WILFRIED URBE

Aktuelle Berichte unter www.128on tour.com, nächstes Jahr wird ein Buch über die Reise von Ehepaar Krauss im Weltsichtverlag erscheinen