Post vom Betriebsrat

ArbeitnehmervertreterInnen des Springer-Konzerns wehren sich gegen den eisernen Kriegskurs ihrer Blätter. Appell an Vorstand und Chefredakteure

von STEFFEN GRIMBERG

„Fällt Bagdad heute?“, fragt Bild auf der Seite 1 – und präsentiert eine Seite später einen Tag im Leben des „Oberbefehlshabers US-Präsident George W. Bush“ („Er trägt die schwere Last des Krieges“). Auch wenn der Kommentar in der gleichen Ausgabe gestern schon wieder mit Allgemeinplätzen („Im Krieg gibt es eine kluge Regel: Die Warnung vor dem schnellen Sieg“) wohl so etwas wie Differenziertheit herstellen sollte: Der Appell des Springer-Gesamtbetriebsrats an Vorstand und Chefredakteure, endlich für eine „ausgewogene Berichterstattung“ in den auf Kriegskurs liegenden Blättern des Konzerns zu sorgen, ist bisher wirkungslos geblieben.

„Wir entnehmen den Blättern unseres Hauses tagtäglich eine überwiegend einseitige Berichterstattung über den Krieg im Irak“, heißt es in dem zunächst Springer-intern verbreiteten Schreiben. Dieser werde nämlich „uneingeschränkt befürwortet, die amerikanisch-britische Regierungslinie wird kritiklos übernommen. Und dabei wird Populismus schlimmster Art betrieben. ‚Blut für Öl, aber ja doch‘ oder ‚Saddam, verpiss dich‘ muss man ebenso lesen wie einen Kommentar („Die letzte Entscheidung“), der jede Diskussion abwürgt.“

Kombi-Chefredaktuer Jan-Eric Peters, zuständig für Welt und Berliner Morgenpost, hatte schon am ersten Tag des Irakkriegs jede Diskussion im Keim erstickt und formuliert: Für die „freie Welt, für jedes Land und für jeden Einzelnen“ gebe es nur eine Wahl: „Mit den Amerikanern oder gegen sie?“ – und dafür von „verboten“ das „Eiserne Kreuz“ verliehen bekommen (taz vom 25. 3.).

„Wer in unserem Hause gegen den Krieg ist, wird als Antiamerikanist gescholten“, schreiben die ArbeitnehmervertreterInnen. Und Georg Gafron, Frontmann von Springers Berliner Boulevardgazette B. Z., musste jüngstper Rundmail Teilnehmern einer hausinternen Betriebsversammlung sogar erklären, seine „Gleichsetzung der Anwesenden (…) mit der irakischen Baath-Partei“ sei keineswegs beabsichtigt gewesen (taz vom 28. 3.).

„Saddam ist ein mörderischer Diktator, ja!“, heißt im Schreiben der Betriebsräte weiter. Doch dass „Bush sich eigenmächtig über das Völkerrecht (…) hinwegsetzt, wird zwar von der Mehrheit der Deutschen abgelehnt, in unserem Verlag aber toleriert, ja offensichtlich negiert“.

Dass der Appell zum Umdenken an der Springer-Spitze und zur Rückkehr zu professionellem statt ideologischem Journalismus führt, ist schwer vorstellbar. Wenn da nicht ein Argument wäre, dem sich der nach den Verlusten des Jahres 2001 eben erst wieder in den schwarzen Zahlen angekommene Konzern nur schwer verschließen kann: „Wirtschaftliche Probleme unserer Zeitungen (…)“, so der Schlusssatz, „können auch mit politischen Inhalten und der Art und Weise, wie Meinung verbreitet wird, zusammenhängen.“