„Na, leben die Irakis noch“

Zwei Jahre alt, in den USA nicht fortgesetzt – und jetzt im Fernsehen: Ab Sonntag wird RTL 2 ganz unfreiwillig zum subversivsten Sender Deutschlands. Und zeigt: „Hier kommt Bush!“ (20.15 Uhr)

von CLEMENS NIEDENTHAL

Die Populärkultur als Parasit gesellschaftlicher Verblendungszusammenhänge – schon Walter Benjamin hatte eine diesbezügliche Hoffnung in seinem wunderbaren Kunstwerk-Aufsatz aufkeimen lassen. Matt Groenings „The Simpsons“ haben sie zu leuchtender Blüte gebracht. Auf einmal gehörte eine ganze Batterie amerikanischer (Ex-) Präsidenten wie selbstverständlich zum Inventar einer Zeichentrickserie. George Bush der Ältere etwa konnte im Springfield der Simpsons sein gelbes Wunder erleben.

„Hier kommt Bush!“ hingegen verwirrt nichts und niemanden. Daran wird auch der exponierte Sendeplatz nichts ändern. Und nicht die Physiognomie von Timothy Bottoms, der George Bush dem Jüngeren tatsächlich wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Denn was da in der Theorie Hoffnung auf ein radikal parasitäres Comedy-Format gemacht hatte, entpuppt sich in der Praxis bestenfalls als eine vulgäre Variante der „Gerd-Show“. Die George-Show gewissermaßen. Eine durchschnittlich dumme und überdurchschnittlich derbe Sitcom, die eben den 43. Präsidenten der USA zu ihrer Hauptfigur erkoren hat.

Nein, „Hier kommt Bush!“ funktioniert kaum als Metatext zur Schieflage einer Nation. Dafür fehlt der Serie das agitatorische Sendungsbewusstsein eines Michael Moore oder die Hyperreflexivität eines Matt Groening. „Hier kommt Bush!“ verweist nicht vom Kleinen auf immer Größeres, nicht von Oberflächen auf tiefe Abgründe. „Hier kommt Bush!“ verweist auf nichts als die eigenen doofen Pointen. Und von deren Gehalt können auch die gebetsmühlenartig wiederholten Lacher vom Band nicht überzeugen.

Aber der Reihe nach: Einige Monate vor den bekannt folgenschweren Irritationen im Luftraum über New York – genauer im April 2001 – reüssierte im US-amerikanischen Spartenkanal Comedy Central die achtteilige Serie „That’s my bush!“. Ausgedacht hatten die sich Trey Parker und Matt Stone, vormals Erfinder der Cartoon-Kugelköpfe aus „South Park“ und von RTL 2 gleich mal als „gnadenlose TV-Anarchos“ angepriesen. Ist es indes ein Resultat ihrer gnadenlosen TV-Anarchie, dass die erste Staffel des Präsidenten-Ulks die einzige bleiben sollte? Wahr ist wohl auch, dass es nach dem 11. September nicht mehr viel Raum für regierungskritische Satire in den amerikanischen Medien gibt. – Und jetzt vermutlich schon gar nicht.

„Regieren ist hart, wenn man es nicht kann“, singsangt es im Vorspann zu „Hier kommt Bush!“. Zwei Zeilen, die die Dialektik der Serie recht signifikant zusammenfassen. Für das Duo Parker/Stone bleibt George W. Bush ein ziemlich dummer und ziemlich überforderter Mann, der mehr so aus Versehen und eigener Ungeschicklichkeit zum Rassisten, Chauvinisten und Menschenrechtsverletzer wird. Die Präsidentenschuhe, so die simple Botschaft, sind ihm viel zu groß. Aber erklärt das hinreichend, warum der Texaner permanent in die falsche Richtung läuft?

Die Episode „Guck mal, wer da stirbt“ beispielsweise erzählt diese Geschichte so: Weil die alten Freunde von der Elite-Uni eine wilde Party wünschen, nimmt sie der Präsident mit zu einer Hinrichtung – und gibt gleich selbst den Henker. So etwas nennt man wohl Galgenhumor. Prophetisch wären hingegen die wenigen lichten Momente der zwei Jahre alten Sitcom zu nennen. Das beiläufige „Na, leben die Irakis noch“ der blonden Praktikantin etwa. Aber für diesen Lacher muss sich „Hier kommt Bush!“ beim ganz realen George W. bedanken.